2017
Bundesarbeitsgericht – Arbeitnehmer kann Eigenkündigung angreifen
Das Bundesarbeitsgericht hat mit Urteil vom 21.9.2017 entschieden, dass ein Arbeitnehmer gegen eine von ihm ausgesprochene Eigenkündigung auch nach 9 Monaten noch vor dem Arbeitsgericht klagen kann.
Die Arbeitnehmerin litt unter einer paranoiden Schizophrenie. Sie kündigte das Arbeitsverhältnis im März 2015 gegenüber dem Arbeitgeber zwei Jahre nach einem stationären Aufenthalt schriftlich. Der Arbeitgeber bestätigte die Kündigung. Einige Zeit später wurde die Klägerin unter Betreuung gestellt. Die Betreuerin verlangte vom Arbeitgeber die Bestätigung, dass die Kündigung unwirksam sei. Die Arbeitnehmerin habe die Kündigung im Zustand einer Störung des Geisteszustands abgegeben. Daher sei die Kündigung wegen Geschäftsunfähigkeit nichtig (§ 105 BGB).
Der Arbeitgeber reagierte negativ und so landete der Fall im Dezember 2015 – 9 Monate nach Ausspruch der Kündigung – vor dem Arbeitsgericht. Rechtlich ging es sodann um 2 Fragen:
War die Klage noch zulässig oder verspätet? Hierzu entschied das BAG, dass die kurze 3-Wochenfrist der §§ 4, 7 Kündigungsschutzgesetz auf die Eigenkündigung des Arbeitnehmers keine Anwendung findet. Die Klage war auch nicht „verwirkt“. Eine Verwirkung tritt rechtlich nicht einfach so durch Zeitablauf ein, sondern es muss ein so genanntes Umstandsmoment hinzutreten. Dabei handelt es sich um ein bei dem Vertragspartner entstandenes Vertrauen darauf, dass das Recht des Anspruchsstellers nicht mehr geltend gemacht wird. Daran fehlte es vorliegend jedoch. Daher konnte die Klägerin auch noch nach vielen Monaten die Feststellung durch Urteil verlangen, dass ihr Arbeitsverhältnis fortbesteht.
Zweitens ging es um die Frage, ob die Kündigung nichtig war. Das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg war davon aufgrund einer ärztlichen Bescheinigung von der Geschäftsunfähigkeit ausgegangen. Darin hieß es, anhand des Krankheitsbildes der Klägerin und des dort bekannten Verlaufs gehe man „fest davon aus, dass zum Zeitpunkt der Kündigung krankheitsbedingt keine Geschäftsfähigkeit“ vorgelegen habe. Das BAG fand dies jedoch nicht als ausreichend und hob das Urteil der Vorinstanz daher auf. Die Frage der Geschäftsunfähigkeit muss erneut und gründlich geprüft werden.
Rechtsanwalt und Fachanwalt für Arbeitsrecht Prof. Dr. Reinhold Mauer (Foto: Jan P. Kiefer)
Bundesarbeitsgericht – Überlange Kündigungsfrist im Arbeitsvertrag ist unwirksam
Das BAG hat am 26. Oktober 2017 entschieden: Eine überlange Kündigungsfrist, die der Arbeitnehmer einzuhalten hat, ist unwirksam. Dies gilt für Arbeitsverträge, die der Arbeitgeber verwendet. Denn diese unterfallen der AGB-Kontrolle.
In dem entschiedenen Fall ging es um einen Spediteur. Er vereinbarte mit einem Speditionskaufmann eine deutliche Lohnerhöhung. Umgekehrt verpflichtete sich der Speditionskaufmann im Fall einer Eigenkündigung eine Frist von 3 Jahren einzuhalten (ganz so schlimm, wie auf dem Foto, war es also nicht). Nachdem der Arbeitnehmer bemerkte, dass der Arbeitgeber ihn heimlich mit einer Spionagesoftware überwacht hatte, kündigte der Speditionskaufmann. Er hielt die gesetzliche Kündigungsfrist ein, nicht hingegen die 3-Jahresfrist.
Dagegen klagte der Spediteur. Klingt ungewöhnlich, da es normalerweise umgekehrt ist, aber hier ging es dem Spediteur darum, die Arbeitnehmer an sich zu binden und vermutlich auch, sie davon abzuhalten, zur Konkurrenz zu wechseln.
Die Arbeitsgerichte kamen zu dem Ergebnis, dass die vertraglich vereinbarte Kündigungsfrist zu lang sei. Dem folgte das Bundesarbeitsgericht, da die Verlängerung im vorliegenden Fall den Arbeitnehmer in seinem Grundrecht auf Berufsfreiheit nach Art. 12 des Grundgesetzes zu sehr beeinträchtige.
Eine Regelung von verlängerten Kündigungsfristen im Arbeitsvertrag ist zwar grundsätzlich zulässig, und zwar sogar bis zu einer Dauer von 5 Jahren (für beide Seiten), wie sich aus § 622 Absatz 6 BGB und § 15 Abs. 4 TzBfG ergibt. Jedoch muss stets im Einzelfall geprüfte werden, ob die vom Arbeitgeber formulierte Klausel der AGB-Kontrolle standhält. Ein deutliches Überschreiten der gesetzlichen Kündigungsfrist ist daher am Maßstab des Art. 12 GG zu messen. Vorliegend hielt die Klausel dieser Überprüfung nicht stand. Die nach § 307 BGB unwirksame Klausel gilt daher als nicht vereinbart. An ihre Stelle tritt die gesetzliche Standard-Regelung, also die Kündigungsfristen des § 622 Abs. 1 BGB.
Urteil vom 26. Oktober 2017 – 6 AZR 158/16 – Pressemitteilung Nr. 48/17
Prof. Dr. Reinhold Mauer – Fachanwalt für Arbeitsrecht
Deutschlands längster Erbrechtsstreit – und was wir daraus lernen können.
Sie werden es sicherlich der Presse entnommen haben. In Deutschlands vermutlich längstem Erbrechtsstreit ist 34 Jahre nach der Klageeinreichung ein Urteil gesprochen worden. Und das erst in der 1. Instanz. Viele Menschen denken, „in meiner Familie passiert das nicht“. Dies ist ein weit verbreiteter Irrtum. Erbrechtsstudien bestätigen das Gegenteil.
Der längste HÜMMERICH legal – Erbrechtsstreit dauerte 16 Jahre. Es war ein „einfacher“ Streit zwischen Bruder und Schwester. Was den Eltern einfach erschien, entpuppte sich allerdings als juristisch sehr schwierig und warf darüber hinaus komplizierte Bewertungsfragen im Grundstücksbereich auf. Der Rechtsstreit war zweimal beim Bundesgerichtshof und nach entsprechender Zurückweisung dreimal beim Oberlandesgericht.
Aktuelle Untersuchungen zeigen: Künftige Erblasser rechnen nur zu einem sehr geringen Teil mit Streitigkeiten um das Erbe. Anders die künftigen Erben: Hier rechnet ein deutlich höherer Prozentsatz mit Streitigkeiten. Man kennt eben sein Geschwisterchen schon aus Sandkastenzeiten, als man sich noch wechselseitig die Schäufelchen über den Kopf haute.
Die Erklärung liefern Psychologen: Mit dem Tod der Erblasser bricht die bis dahin bestehende hierarchische Struktur in der Familie zusammen, die ordnende Hand fällt weg. Die jeweiligen Grenzen müssen neu ausgelotet werden. Hinzu kommt, dass dritte Personen nunmehr eine deutlich stärkere Rolle spielen, die Partner der jeweiligen Erben. Nicht selten wird in Fortbildungsveranstaltungen für Erbrechtler die Situation berichtet, dass die eigentlich treibende Kraft an einer Erbauseinandersetzung aus dem Bereich der Schwiegerkinder kommt.
Was kann man nun tun? Viele Menschen denken, ein „rechtssicheres“ Testament genüge, um ein geordnetes Haus zu hinterlassen. Aber das kann nur der Anfang sein. Bei der Wahl der vielen Gestaltungsmöglichkeiten sollte primär Wert auf die Praxistauglichkeit der gewählten Lösung gelegt werden. Viele juristisch „geniale“ Konstruktionen, wie beispielsweise die Vor- und Nacherbschaft, scheitern in der Praxis schlicht daran, dass sie von den Menschen, die damit umgehen müssen, nicht verstanden werden.
Welche Rolle spielt die Psychologie? Der Gedanke der eigenen Nachfolgeplanung muss der nachfolgenden Generation auch vermittelt werden. Immer wieder erleben wir, dass vermeintlich gut gemeinte Regelungen, die ein vermeintlich schwächeres Familienmitglied schützen sollen, in der Praxis in ihr Gegenteil umschlagen. So hört man häufig die Empfehlung, das schwächere Familienmitglied zum Testamentsvollstrecker zu machen. Das eigentlich sinnvolle Gestaltungsmittel der Testamentsvollstreckung wird durch die Auswahl dieser Person in ihrer Wirkung ins Gegenteil verkehrt. Denn die natürliche und über Jahrzehnte gelebte Hierarchie in der Familie wird plötzlich auf den Kopf gestellt. Das vermeintlich stärkere Familienmitglied ist regelmäßig nicht gewillt, dies hinzunehmen. Und das deutsche Erbrecht, das komplizierte Verfahrensrecht und die vielen guten Erbrechtsanwälte finden erfahrungsgemäß ausreichend Mittel und Wege, um mit veritablen Streitigkeiten die alte Hierarchiestruktur wiederherzustellen.
Wie geht es richtig? Der durchschnittliche Wert einer Erbschaft in Deutschland liegt bei 360.00,00 €. Bei diesem Wert liegen die Gerichts- und Anwaltskosten schnell bei mindestens 55.000,00 €. Spätestens jetzt wird einem klar, dass die Investition in einen professionellen Testamentsvollstrecker oftmals die insgesamt klügere Entscheidung ist. Aber nicht nur die wirtschaftliche Betrachtungsweise spricht hierfür, auch eine psychologische: Die Geschwister haben mit dem Testamentsvollstrecker einen „gemeinsamen“ Feind. Und nichts eint besser, als ein gemeinsamer Feind. Deshalb sollte es natürlich auch selbstverständlich sein, einen gut ausgebildeten Testamentsvollstrecker auszuwählen. Die HÜMMERICH legal Erbrechtsanwälte sind ausgebildete Testamentsvollstrecker, sie bilden selbst Berufskollegen im Bereich der Testamentsvollstreckung aus und fort, verfassen Fachpublikationen und gehören entsprechenden Fachorganisationen, Rechtsanwalt Eberhard Rott sogar in der Funktion als Vorsitzender des Vorstandes, an.
Was können wir lernen? Der Ausgangsfall zeigt, dass ein bloß rechtssicheres Testament Streitigkeiten nicht vermeidet. Lernen kann man aber, jedenfalls nach dem aktuellen Stand der Dinge, daraus aber auch, dass der Weg der Einigung im Erbrecht oft hilfreich sein kann. Die klagende Partei hat im Ausgangsrechtsstreit zwar einen erheblichen Geldbetrag zugesprochen bekommen, aber nur 35 Prozent dessen, was ihr außergerichtlich vom Beklagten freiwillig angeboten worden war. Ob außergerichtliche Vergleiche vermittelbar sind, hängt natürlich in erster Linie von den beteiligten Parteien ab. Die Funktion der anwaltlichen Vertreter darf dabei aber nicht unterschätzt werden. HÜMMERICH legal Rechtsanwälte sind in konstruktiver Verhandlungsführung geschult und teilweise auch gesondert als Mediatoren tätig.
Fazit: Wenn Sie ein geordnetes Haus ohne Potential für langjährige Rechtsstreitigkeiten hinterlassen wollen, nehmen Sie sich genügend Zeit für Ihre Nachfolgeplanung. Berücksichtigen Sie, was Sie den Erben – und auch den „Enterbten“ psychologisch antun und gestalten Sie darauf aufbauend praxistaugliche – nicht bloß rechtssichere – Lösungen, die Sie in einem zeitlichen Abstand von 3-5 Jahren überprüfen. Schon haben Sie die Weichen richtig gestellt. Und zugleich haben Sie ein Vorbild für die nachfolgenden Generationen geschaffen, es Ihnen gleich zu tun.
Rechtsanwalt Eberhard Rott
Fachanwalt für Erbrecht und Fachanwalt für Steuerrecht
Freizeitausgleich bei Bereitschaftsdienst
Die Mehrarbeit eines Beamten in Form von Bereitschaftsdienst ist im Verhältnis „1 zu 1“ auszugleichen: pro Bereitschaftsstunde ist eine Stunde Freizeitausgleich zu gewähren. Das hat das Bundesverwaltungsgericht in acht Urteilen vom 17. November 2016 entschieden, die jetzt vorliegen. HÜMMERICH legal hat die Kläger vertreten.
Die Kläger sind Bundespolizeibeamte und waren in den vergangenen Jahren mehrfach für jeweils einige Monate an deutschen Botschaften in Krisengebieten tätig und haben dort Aufgaben des Personen- und Objektschutzes wahrgenommen. In dieser Zeit waren sie jeweils an das Auswärtige Amt abgeordnet und erhielten zusätzlich zu ihren regelmäßigen Bezügen Auslandsbesoldung. Im Rahmen des Dienstes fielen in erheblichem Umfang als Mehrarbeit angeordnete Überstunden an, für die Freizeitausgleich im Inland gewährt wurde. Die Beklagte hat Mehrarbeit in Form von Bereitschaftsdienst dabei zeitlich nur zur Hälfte in Ansatz gebracht; die bei der deutschen Botschaft in Bagdad als Rufbereitschaftsdienst gewerteten Zeiten hat sie zu einem Achtel als Mehrarbeitet berücksichtigt.
Das Bundesverwaltungsgericht hat diese Praxis mit Blick auf den Bereitschaftsdienst im Sinne von § 2 Nr. 12 AZV beanstandet und die Entscheidungen der Vorinstanzen bestätigt. Bei Mehrarbeit in der Form des Bereitschaftsdienstes ist gemäß § 88 Satz 2 BBG voller Freizeitausgleich zu gewähren. „Entsprechende Dienstbefreiung“ im Sinne dieser Norm bedeutet bei Bereitschaftsdienst ebenso wie bei Volldienst Freizeitausgleich im Verhältnis „1 zu 1“. Dies ergibt sich aus der Auslegung nach Wortlaut, Sinn und Zweck sowie der Entstehungsgeschichte der Vorschrift: Der Anspruch auf Freizeitausgleich dient nicht in erster Linie der Regeneration des durch die Mehrarbeit besonders dienstlich in Anspruch genommenen Beamten; Dienstbefreiung für Mehrarbeit soll vielmehr die Einhaltung der regelmäßigen Arbeitszeit jedenfalls im Gesamtergebnis gewährleisten. Dem Beamten soll in ungeschmälertem Umfang Freizeit zur Verwendung nach seinen persönlichen Bedürfnissen und Interessen zur Verfü-gung stehen. Auf das Maß und die Intensität der Inanspruchnahme während der geleisteten Mehrarbeit kommt es nicht an. Der Beamte hat auf die sich aus der gesetzlichen Arbeitszeitregelung ergebende Freizeit auch dann einen Anspruch, wenn er sie nicht zur Wiederherstellung seiner Kräfte benötigt. „Entsprechend“ im Sinne von § 88 Satz 2 BBG meint damit dem zeitlichen Umfang und nicht der Intensität der Mehrleistung entsprechend.
Dieses Ergebnis steht auch in Einklang mit Unionsrecht, insbesondere mit der Arbeitszeitrichtlinie RL 2003/88/EG vom 4. November 2003.
Dagegen handelt es sich bei Rufbereitschaft, die in § 2 Nr. 11 AZV definiert ist als die Pflicht, sich außerhalb des Arbeitsplatzes bereitzuhalten, um bei Bedarf sofort zu Dienstleistungen abgerufen werden zu können, in den Zeiten, für die sie angeordnet ist, nicht um Arbeitszeit. Sie ist damit kein tauglicher Gegenstand von Mehrarbeit nach § 88 Satz 2 BBG. Allerdings kann nach § 12 Satz 2 AZV ein Anspruch auf Freizeitausgleich entstehen: Hat der Beamte über die Arbeitszeit hinaus mehr als zehn Stunden im Kalenderjahr Rufbereitschaft, wird innerhalb von zwölf Monaten ein Achtel der über zehn Stunden hinausgehenden Zeit als Freizeitausgleich gewährt, soweit nicht zwingende dienstliche Gründe entgegenstehen.
Christian Mäßen
Fachanwalt für Verwaltungsrecht
Veröffentlicht 16.02.2017
Vortrag „Erben im Wandel“ auf dem 14. Haus & Grund-Tag am 01.04.2017 in Bonn
Der 14. Haus & Grund-Tag des Vereins Haus & Grund Bonn/Rhein-Sieg e. V. findet in diesem Jahr am 01.04.2017 statt. Mit dabei: Der Landrat des Rhein-Sieg-Kreises, Sebastian Schuster sowie die HÜMMERICH legal Fachanwälte Eberhard Rott und Hans-Jörg Tamoj.
Der Verein Haus & Grund Bonn/Rhein-Sieg e. V. führt seine Jahreshauptversammlung als öffentliche Versammlung durch. Interessierte Bürger können kostenlos an der Fachausstellung, Expertengesprächen und Fachvorträgen teilnehmen. Programm und Veranstaltungsort finden Sie hier:
Die beiden Fachanwälte für Erbrecht Eberhard Rott und Hans-Jörg Tamoj werden unmittelbar an die öffentliche Jahreshauptversammlung zum Thema „Erben im Wandel“ vortragen. Gerade für Immobilienbesitzer empfiehlt es sich, einen Blick in die Zukunft der Vererbung von Immobilien zu werfen.
Rechtsanwalt Eberhard Rott
Fachanwalt für Erbrecht und Fachanwalt für Steuerrecht
Veröffentlicht am 03.02.2017
Gesetzliche Vertretungsmacht der Ehegatten im Vorsorgefall soll geändert werden
Viele Ehegatten gehen davon aus, dass sie sich zumindest im Krankheitsfall wechselseitig vertreten können. Der Gesetzgeber sieht das jedoch bisher grundsätzlich anders. Für den Bereich der Gesundheitssorge und in Fürsorgeangelegenheiten hat der Bundesrat nunmehr einen Gesetzesentwurf in den Bundestag eingebracht. Die wichtigste Neuerung ist in § 1358 BGB enthalten.
Danach soll der Ehegatte die notwendige Vertretungsmacht erhalten, um für den anderen die medizinischen Angelegenheiten zu regeln. Ausgenommen sind besonders schwerwiegende Heileingriffe, auch die Unterbringung soll ausgeschlossen sein. Möglich ist aber die Einwilligung in eine Freiheitsentziehung des anderen Ehegatten, wenn sich dieser nur vorübergehend in einer Einrichtung aufhält. Hier ist beispielsweise die Anbringung von Bettgittern gemeint.
Wichtig ist, dass ein Zugriff des Ehegatten auf das Vermögen des anderen Ehegatten nicht vorgesehen ist. Im Übrigen soll die (neue) Vertretungsmacht auch dann nicht gelten, wenn es eine Betreuung gibt oder aber eine entsprechende Vorsorgevollmacht. Außerdem soll es möglich sein, einen Widerspruch gegen die Vertretungsmacht in das Vorsorgeregister eintragen zu lassen.
Ob sich die Vorstellungen des Gesetzgebers auch als in der Praxis tauglich erweisen, wird sich erweisen müssen. Die Vorschrift ist sehr lang und enthält viele Modalitäten sowie Verweisungen auf andere Gesetzesstellen. Sie soll auch nur dann gelten, wenn die Eheleute nicht getrennt leben. Ob das funktioniert ist fraglich! Zwar soll das – insbesondere ärztliche – Gegenüber auf eine entsprechende Erklärung des Ehegatten vertrauen dürfen. Erkennt das Gegenüber das Fehlen der Voraussetzungen jedoch fahrlässig nicht, gilt die Regelung nicht und das Gegenüber macht sich unter Umständen schadensersatzpflichtig oder gar strafbar, wenn dadurch beispielsweise gegen die ärztliche Verschwiegenheit verstoßen wird.
Der Gesetzesentwurf, darauf ist unbedingt hinzuweisen, macht Vorsorgevollmachten und Patientenverfügungen nicht entbehrlich. Für getrennt lebende Ehegatten gilt sogar ausdrücklich das Gegenteil: Wer nicht möchte, dass sein getrennt lebender Ehegatte ihn vertritt, muss jetzt ausdrücklich in besonderem Maße Vorsorge treffen.
Zur Bundestag-Drucksache gelangen Sie hier.
Rechtsanwalt Eberhard Rott
Fachanwalt für Erbrecht und Fachanwalt für Steuerrecht
Veröffentlicht am 24.01.2017
„Im Dickicht des Rechts“ – Wer glaubt, der Richter kenne das Recht, hängt einer Illusion an.
Im „Dickicht des Rechts“ (vgl. BGH, IX ZR 272/14) ist es die ausdrückliche Aufgabe des Anwaltes, auf die rechtliche Beurteilung des Gerichtes Einfluss zu nehmen. Kein Wunder, spielen doch bestimmte Rechtsgebiete in der Ausbildung der Juristen keine Rolle, beispielsweise die Testamentsvollstreckung.
In seinem Urteil vom 13.10.2016 (IX ZR 214/15) hat der BGH die Pflicht des Anwalts, „das Rechtsdickicht zu lichten“ erneut hervorgehoben und einen Rechtsanwalt, der gegen diese Pflicht verstoßen hat, zum Schadenersatz verurteilt.
Es macht also nicht nur Sinn, wenn der Rechtsanwalt in seinen Schriftsätzen sich ausführlich mit Rechtsprechung und Literatur beschäftigt und diese zitiert, sondern es dient auch dem Mandanten. Nützt es ihm wirklich, wenn er sein Recht erst über einen Schadenersatzprozess gegen seinen Anwalt durchsetzen kann? Der Rechtsanwalt muss deshalb über eine entsprechende Berufserfahrung, aber auch über eine entsprechende technische Rechercheausstattung verfügen, um diesen Anforderungen gerecht zu werden. HÜMMERICH legal Rechtsanwälte werden diesen Anforderungen selbstverständlich gerecht. Aber auch die übrigen an der Rechtsfindung Beteiligten sollten ihren Rollen gerecht werden. Der Mandant muss seine Anwälte richtig und rechtzeitig unterrichten und ihm auch die notwendige Zeit für die sachgerechte Bearbeitung einräumen. Das Gericht sollte der Versuchung widerstehen, es als belehrend zu empfinden, wenn der Anwalt seiner vom BGH statuierten Verpflichtung nachkommt. Und auch das gehört zu den originären Aufgaben des Rechtsanwaltes: „Den Mandanten vor Fehlentscheidungen in Folge nachlässiger Arbeit des zur Entscheidung berufenen Richters zu bewahren“ (BGH, IX ZR 179/07).
Rechtsanwalt Eberhard Rott
Fachanwalt für Erbrecht und Fachanwalt für Steuerrecht
Veröffentlicht am 24.01.2017
Missglückte Testamentsgestaltung
„Erbrecht kann jeder, zumindest ich“, so denken viele Menschen, mit fatalen Folgen, wie die Entscheidung des LG Coburg vom 20.01.2017 (11 O 392/15) zeigt.
Der Erblasser hatte mehrere Abkömmlinge, einer dieser Abkömmlinge bezog Sozialleistungen. Um diese nicht verwerten zu müssen, verfiel er auf die Idee, seinen Pflichtteilsanspruch an seinen Sohn (den Enkel des Erblassers) abzutreten und gerichtlich gegen seine Geschwister geltend machen zu lassen. Das LG Coburg erteilte diesem Ansinnen eine Abfuhr. Nach der Auffassung des Landgerichts verstieß die Abtretung gegen das Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden und war deshalb wegen Sittenwidrigkeit nichtig.
Das Fatale: Hätte der Erblasser sich beraten lassen und eine testamentarische Regelung mit Testamentsvollstreckung und dynamischer Beendigungsklausel gewählt, hätten die Beratungskosten mit Sicherheit unterhalb der Kosten des Rechtsstreits gelegen und das Familienvermögen hätte gesichert werden können. Nun freut sich der Sozialhilfeträger.
Rechtsanwalt Eberhard Rott
Fachanwalt für Erbrecht und Fachanwalt für Steuerrecht
Veröffentlicht am 24.01.2017