2021

Von wegen trüber November …

… jedenfalls nicht für das HÜMMERICH legal Erbrechtsteam. Der Monat startet mit der Co-Veröffentlichung von Eberhard Rott und Elena Weber „Aktuelles zur Testamentsvollstreckung – Rechtsprechung, Gestaltungsmöglichkeiten und Praxishinweise“. Sodann wird Katharina Weiler auf dem 15. Deutschen Testamentsvollstreckertag für ihr aktuelles erbrechtliches Promotionsvorhaben mit dem Wissenschaftspreis der AGT ausgezeichnet. Und anschließend wählt eine Jury unabhängiger Fachleute im Auftrag der Wirtschaftswoche die 20 besten Erbrechtskanzleien Deutschlands und zählt hierzu HÜMMERICH legal Erbrechtsanwalt Eberhard Rott. Wir bedanken uns, zugleich freuen wir uns sehr über die vielfältige Anerkennung, die unsere Arbeit außerhalb der Kanzlei erfährt und auch darüber, dass wir die beiden Rechtsreferendarinnen, die sich für die Vertiefung ihrer Ausbildung das Erbrecht ausgesucht haben, auf ihrem beruflichen Werdegang ein Stück begleiten dürfen. Es macht Freude zu sehen, mit welchem Engagement junge Menschen sich ein Rechtsgebiet erarbeiten, das in der klassischen juristischen Ausbildung eher eine Nebenrolle spielt.

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Pflichtteil geht den Grabpflegekosten vor.

Der Bundesgerichtshof hat es mit Urteil vom 26. Mai 2021, IV ZR 174/20 klargestellt: 

Grabpflegekosten, die die Erben testamentarisch belasten sollen, führen nicht zur Kürzung des Pflichtteilsanspruchs führen. Will der Testamentsvollstrecker dieses Mittel nutzen, bleibt ihm nur die Möglichkeit, entsprechende Verträge lebzeitig abzuschließen und auch bereits lebzeitig finanziell auszustatten.

Inhaltlich begründet das der BGH wie folgt:

Zwar trägt gemäß § 1968 BGB der Erbe die Kosten der Beerdigung des Erblassers. Hiervon erfasst werden aber nur die eigentlichen Kosten der Beerdigung, also des Bestattungsaktes selbst, der seinen Abschluss mit der Errichtung einer zur Dauereinrichtung bestimmten und geeigneten Grabstätte findet. Kosten der Instandhaltung und Pflege der Grabstätte und des Grabmals zählen nicht mehr zu den Kosten der Beerdigung, sondern entspringen allenfalls einer sittlichen Verpflichtung des Erben.

Auch die Möglichkeit, erbschaftsteuerlich Grabpflegekosten abzusetzen (§ 10 Abs. 5 Nr. 3 ErbStG), vermag an dieser fehlenden rechtlichen Verpflichtung des Erben zur Grabpflege nichts zu ändern, da die steuerliche Berücksichtigungsfähigkeit von Aufwendungen nichts über die zivilrechtliche Verpflichtung des Erben zur Kostentragung besagt. Diese steuerrechtliche Regelung hat dem Gesetzgeber auch keine Veranlassung zu einer Änderung des § 1968 BGB gegeben.

Ferner ist eine möglicherweise bestehende öffentlich-rechtliche Pflicht von Erben oder Angehörigen zur Grabpflege unabhängig von der rein zivilrechtlichen Frage des Bestehens einer Nachlassverbindlichkeit zu beurteilen. Die Instandhaltungspflicht für eine Grabstätte trifft nach den einschlägigen Friedhofssatzungen den Grabnutzungsberechtigten oder den Totenfürsorgeberechtigten, der nicht zwingend personenidentisch mit dem Erben sein muss.

Auch die Anordnung in einem Testament, der Rest des Vermögens müsse für die Beerdigung sowie zwanzig Jahre Grabpflege verwendet werden, begründet keine dem Pflichtteilsberechtigten entgegenzuhaltende Nachlassverbindlichkeit. Zu den Nachlassverbindlichkeiten gehören gemäß § 1967 Abs. 2 BGB außer den vom Erblasser herrührenden Schulden die den Erben als solchen treffenden Verbindlichkeiten, insbesondere die Verbindlichkeiten aus Pflichtteilsrechten, Vermächtnissen und Auflagen.

Eine Nachlassverbindlichkeit kann zwar durch eine Erwähnung der Grabpflege in der letztwilligen Verfügung begründet werden, wenn bereits der Erblasser zu Lebzeiten einen Grabpflegevertrag geschlossen hatte, der sodann die Erben als dessen Rechtsnachfolger gemäß § 1922 BGB bindet. Ein solcher Fall liegt aber nicht vor, wenn der Erblasser zu Lebzeiten keinen derartigen Vertrag geschlossen hatte.

Auch die testamentarische Anordnung, dass der Rest des Vermögens für eine zwanzigjährige Grabpflege zu verwenden sei, begründet keine Nachlassverbindlichkeit in Form einer Erbfallschuld, die im Rahmen der Berechnung des Pflichtteils zu berücksichtigen sei, selbst dann nicht, wenn sie als wirksame Auflage zu betrachten sein sollte. Eine auf einer Auflage beruhende Nachlassverbindlichkeit führt nicht zu einer Kürzung eines Pflichtteils- oder Zusatzpflichtteilsanspruchs. Vielmehr ist der Pflichtteilsanspruch gegenüber den Ansprüchen aus Auflagen und Vermächtnissen vorrangig. Dieser Vorrang ergibt sich auch aus der gesetzlichen Regelung des § 1991 Abs. 4 BGB. Hiernach sind Verbindlichkeiten aus Pflichtteilsrechten, Vermächtnissen und Auflagen durch den Erben so zu berichtigen, wie sie im Falle des Insolvenzverfahrens zur Berichtigung kommen würden. Nach § 327 Abs. 1 InsO werden Verbindlichkeiten gegenüber Pflichtteilsberechtigten vor Verbindlichkeiten aus den vom Erblasser angeordneten Vermächtnissen und Auflagen erfüllt. Dem Erblasser soll es verwehrt sein, den Pflichtteilsanspruch durch freigiebige Vermächtnisanordnungen oder Auflagen zu schmälern oder sogar auszuhöhlen.

Praxishinweis:

Will der Erbe dieses Mittel nutzen, bleibt ihm nur die Möglichkeit, entsprechende Verträge lebzeitig abzuschließen und auch bereits lebzeitig finanziell auszustatten.

 

Eberhard Rott

Fachanwalt für Erbrecht und Fachanwalt für Steuerrecht, Testamentsvollstrecker (AGT)

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Covid-19 und der gewerbliche Mieter

Die Covid-19 Pandemie hat die Gesellschaft fest im Griff. Ein ständiger Wechsel zwischen strengen Verboten, verbunden mit Anordnungen der Geschäftsschließung, sowie Lockerungen, die Aussicht auf Besserung versprechen, spiegeln gegenwärtig den Alltag wider.

Gewerbliche Mieter müssen sich daher irgendwann die Frage stellen, ob angesichts der gegebenen Unsicherheiten ein Ausstieg aus einem langfristigen Mietvertrag im Hinblick auf die durch die Pandemie gegebenen Besonderheiten im geschäftlichen Verkehr möglich ist oder ob es dazu Alternativen in Form von Anpassungen an die Situation gibt.

Bei der Analyse und ggf. der Umsetzung der sich aus Ihrer besonderen Situation ergebenden Möglichkeiten stehen wir gern mit unserer Kompetenz zur Seite.

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Vom Erblasser verstecktes Bargeld erst Jahre später gefunden – wem gehört es?

Die Medien berichten es laufend: In der Pandemie legen die Bundesbürger immer mehr Geld auf die hohe Kante. Und die Banken und Sparkassen würden zwar gerne mit dem Geld ihrer Kunden arbeiten, können es sich aber betriebswirtschaftlich nicht leisten, es unentgeltlich entgegenzunehmen, geschweige denn, wie in der guten alten Zeit die Sparer mit Zinsen zu belohnen. Was liegt da aus der Sicht sparsamer Erblasser näher, als das Geld in der eigenen Wohnung zu verstecken?

Die bekannte Zuckerdose hat als Versteck längst ausgedient, sie reicht angesichts der gestiegenen Bargeldbestände ohnehin nicht mehr aus. Geldscheine auf die Wand zu tapezieren und dann hinter normaler Tapete zu verstecken, ist recht aufwendig und setzt schon gesteigerte handwerkliche Fähigkeiten voraus. Und so setzt manch ein Erblasser auf vom Handel angebotene, recht preiswerte Lösungen wie Bücher- oder Steckdosenattrappen. Allen diesen Fällen ist gemeinsam, dass ein gutes Versteck vor Einbrechern schützt, aber eine dumme Situation entsteht, wenn es auch der Erbe nicht findet und es erst Jahre später entdeckt wird. Wem steht das Geld in einem solchen Fall zu, dem Finder oder dem Erben? Mit dieser Frage hatte sich das Amtsgericht München mit dem Urteil vom 04.12.2020 zu beschäftigen.

2016 entdeckte eine Frau in ihrer Wohnung hinter einer Steckdosenattrappe rund 80.000 Euro. Die übergab den Geldbetrag der Polizei, die ihn an das Fundbüro der Stadt München weiterreichte.

Einer weit verbreiteten Meinung zufolge darf man die Dinge, die man gefunden hat, behalten und erwirbt sogar das Eigentum daran, wenn sich innerhalb von sechs Monaten nach der Anzeige des Fundes bei der zuständigen Behörde der ehemalige Eigentümer der verlorenen Sache nicht meldet. So verhielt es sich hier. Trotzdem gab das Fundbüro den Geldbetrag nicht heraus. Vielmehr war es der Ansicht, der Fundbetrag gehöre in den Nachlass des verstorbenen Vormieters, für den durch das Amtsgericht eine Nachlasspflegerin bestellt worden war. Dieser wurde das Geld übergeben. Erben konnten bislang noch nicht ermittelt werden. Hiergegen klagte die Finderin – und verlor den Prozess.

Die Begründung ist so einfach wie zutreffend: Versteckt ist eben nicht verloren. Wenn ich eine Sache verliere, weiß ich nicht (mehr), wo sie sich befindet. Ich kann keine Sachherrschaft mehr über sie ausüben. Bei einem Versteck in einer Steckdosenattrappe der eigenen Wohnung hingegen ist das anders. Da der Erblasser noch in der Wohnung verstarb, kann nicht von einer Besitzaufgabe gesprochen werden, weshalb gemäß § 857 BGB diese Besitzstellung im Erbfall auf die Erben überging.

Die tatsächliche Gewalt im Herrschaftsbereich zu definieren ist aber nicht immer einfach und die Grenzen von Besitz bis zum eindeutigen Besitzverlust scheinen oft schwammig. Hier kam man zu dem Ergebnis, dass der Vormieter den Besitz wohl erst verlieren würde, wenn dieser auch gleichzeitig den Besitz am Herrschaftsbereich, also seiner Wohnung, aufgegeben hätte. Wie immer im Recht heißt es also: Ganz genau hinzuschauen. Wäre der Erblasser nicht in seiner Wohnung verstorben, sondern hätte er beispielsweise einen Schlaganfall erlitten, wäre anschließend nach krankenhausärztlicher Behandlung in ein Pflegeheim gekommen und nach einiger Zeit dort verstorben, wäre die Situation schon wieder ganz anders zu beurteilen.

Praxishinweis:

Was kann nun aber ein Erbe (oder ein Testamentsvollstrecker) tun, wenn er Hinweise darauf hat, dass größere Bargeldbestände durch den Erblasser versteckt worden sind. Auf Verdacht alle Tapeten von den Wänden zu reißen, ist sicherlich keine Lösung. Der erste Schritt ist sicher genaues Hinschauen, aber auch Abwägen, was von entsprechenden Berichten Dritter über die Versteckfreundlichkeit eines Erblassers wirklich zu halten ist. Gibt es dann genügend Anlass, an verstecktes Bargeld zu denken, bietet sich der Einsatz von Geldsuchhunden an. Was bei der Zollfahndung gang und gäbe ist, kann sich auch der Erbe zunutze machen. Entsprechende Angebote lassen sich über das Internet recherchieren. Und es gibt etliche Videos, die diese Freunde der Menschen in Aktion zeigen.

 

Eberhard Rott

Fachanwalt für Erbrecht und Fachanwalt für Steuerrecht, Testamentsvollstrecker (AGT) mit freundlicher Unterstützung von Michelle Schwarz, Rechtspraktikantin

eberhard.rott@huemmerich-legal.de

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Bundesgerichtshof stärkt Recht auf kostengünstige Vorsorgevollmacht auch für Grundstücksgeschäfte.

Vorsorgevollmachten stellen ein wichtiges Instrumentarium in der Vermögensnachfolgegestaltung dar. Häufig werden die Vorsorgevollmachten nur unter dem Gesichtspunkt gesehen, dass sie die Einrichtung einer gesetzlichen Betreuung vermeiden sollen. Für die meisten Menschen steht dabei im Vordergrund, dass ihre Lebensumstände nicht durch einen ihnen völlig fremden Menschen bestimmt werden, wenn sie sich einmal nicht mehr selbst darum kümmern können. Aber auch finanzielle Aspekte können eine Rolle spielen: Die Kosten für das Betreuungsgericht können bei entsprechend Vermögen schnell einige tausend Euro pro Jahr betragen, hinzu kommen noch die Kosten für den Betreuer selbst.

Richtig gestaltet geht der Wirkungsbereich der Vorsorgevollmacht jedoch viel weiter. So können ermöglicht sie dem Bevollmächtigten nach dem Tod des Erblassers die komplette Nachlassabwicklung, ohne dass es eines – wiederum kostspieligen – notariellen Testamentes, eines Erbscheins oder eines Testamentsvollstreckerzeugnisses bedarf. Dies hat der Bundesgerichtshof in seiner Entscheidung vom 12.11.2020 (V ZB 148/19) bestätigt.

Ausgangspunkt war eine anderslautende Entscheidung des Oberlandesgerichts Köln. Ein Mann hatte mit einer Vorsorgevollmacht eine Freundin zu seiner allgemeinen Bevollmächtigten über den Tod hinaus eingesetzt und die Echtheit seiner Unterschrift unter der Vollmachtsurkunde durch die Betreuungsbehörde beglaubigen lassen. Nach dem Tod wollte die Freundin unter Bezugnahme auf diese Vollmacht das Grundstück an einen Dritten übertragen. Das Grundbuchamt und das OLG Köln verweigerten die Umschreibung. Die Betreuungsbehörde sei aus Rechtsgründen nicht befugt, Unterschriften unter Vollmachten zu beglaubigen, die dem Bevollmächtigten ein Handeln über den Tod hinaus ermöglichen würden.

Der Bundesgerichtshof sieht das ganz anders. Nach seiner Auffassung habe der Gesetzgeber durch das Betreuungsbehördengesetz die Verbreitung der Vorsorgevollmacht stärken wollen. Diesem Zweck kann eine Vollmacht aber „nur erreichen, wenn der Bevollmächtigte hinsichtlich seiner Befugnis, Rechtsgeschäfte und Rechtshandlungen für den Vollmachtgeber vorzunehmen, im Außenverhältnis nicht der Beschränkung auf den Vorsorgefall unterliegt. Ist die Vorsorgevollmacht nur bedingt erteilt, führt dies nämlich im gewöhnlichen Geschäftsverkehr zu erheblichen Unsicherheiten und praktischen Schwierigkeiten. Weil die Vollmacht in diesem Fall nur wirksam ist, wenn der Vollmachtgeber tatsächlich betreuungsbedürftig ist, kann der Geschäftspartner (Bank, Versicherung, Behörde, Gericht usw.) nicht prüfen und zuverlässig feststellen, ob der Bevollmächtigte mit Vertretungsmacht handelt. Er wird die Vollmacht daher im Zweifel nicht akzeptieren oder bestenfalls einen aktuellen und sicheren Nachweis der Betreuungsbedürftigkeit des Vollmachtgebers verlangen. Die mit einer bedingt erteilten Vorsorgevollmacht verbundenen Schwierigkeiten zeigen sich insbesondere im Grundbuchverkehr. Dem Grundbuchamt müsste der Eintritt der Bedingung, unter der Vorsorgevollmacht erteilt ist, also die Betreuungsbedürftigkeit, in der Form des § 29 GBO nachgewiesen werden; das ist aber praktisch nicht möglich. Die Vorschrift des § 6 Abs. 2 Satz 1 BtBG wäre folglich, wenn die Beglaubigungskompetenz nur für eine durch die Betreuungsbedürftigkeit bedingte Vorsorgevollmacht bestünde, bedeutungslos. Das Ziel des Gesetzgebers, die Akzeptanz der Vorsorgevollmacht im Rechtsverkehr, insbesondere bei Banken und Sparkassen, zu erhöhen (vgl. BT-Drucks. 15/2494 S. 15), würde nicht erreicht.“

Praxistipp:

Die Kosten für die Beglaubigung einer Unterschrift unter einer Vorsorgevollmacht liegen, je nach Bundesland etwas unterschiedlich, bei rund zehn Euro. Auch diese Vollmacht sollte beim Vorsorgeregister registriert werden. Auch das kann man für einen geringen Betrag online selbst erledigen, ebenso wie die Registrierung des eigenhändigen Testamentes, das man für einen Betrag von 75 € überdies selbst beim Nachlassgericht sicher in die Verwahrung geben kann. Allerdings sollte die Sparsamkeit nicht dazu verleiten, bei der Gestaltung des Testamentes und der Vorsorgevollmacht – einschließlich des zugrundeliegenden Geschäftsbesorgungsvertrages, auch sog. Innenvollmacht genannt – auf „Ankreuzvollmachten“ aus dem Internet oder ähnlichem zurückzugreifen. Überlegen Sie einmal, wann Sie zuletzt Fragen auf einem Fragebogen angekreuzt haben. Vermutlich war das bei Ihrer Führerscheinprüfung. Und dann überlegen Sie, wie lange Sie büffeln mussten, um die Fragen richtig zu verstehen und die korrekten Antworten zu geben. Bei so wichtigen Dingen wie Testament und Vorsorgevollmacht soll das nicht gelten?

Das HÜMMERICH legal Erbrechtsteam begleitet sie mit der Erfahrung von zusammen bald hundert Berufsjahren und speziell auf sie zugeschnittenen Dokumenten sicher durch die Themenkreise Vorsorgevollmacht, Testament und mehr.

Eberhard Rott

Fachanwalt für Erbrecht und Fachanwalt für Steuerrecht, Testamentsvollstrecker (AGT)

für das HÜMMERICH legal Erbrechtsteam

eberhard.rott@huemmerich-legal.de

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Universitätsmedizin: Wissenschaftsfreiheit garantiert nicht die Beibehaltung einer Leitungsfunktion im Bereich der Krankenversorgung

Die im Grundgesetz in Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG geschützte Wissenschaftsfreiheit gewährleistet nicht, dass der in einer so genannten Funktionsbeschreibung festgelegte Tätigkeitsbereich einer Universitätsprofessorin an einem Universitätsklinikum, den sie neben ihren Aufgaben in Forschung und Lehre an der Universität wahrzunehmen hat, nach einer Umstrukturierung des Klinikums weiterhin eine Leitungsfunktion im Bereich der Krankenversorgung umfasst. Das hat das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig mit Urteil vom 3. Februar 2021 entschieden und damit seine Rechtsprechung zu Chefärzten ergänzt und präzisiert (Az: 2 C 4.19).

Die Klägerin ist als habilitierte Humanmedizinerin mit der Lehrbefugnis für das Fach „Innere Medizin“ im hessischen Landesdienst an einer Universität und an einem Universitätsklinikum tätig. Die ursprüngliche Funktionsbeschreibung (vgl. § 68 Abs. 1 Satz 1 HSchulG HE 2010), die auf die Ausschreibung der Universitätsprofessur Bezug nimmt, beinhaltete auch Leitungsfunktionen in der Krankenversorgung des Universitätsklinikums (die Fachaufsicht und Leitung der gastroenterologischen Funktions- und Bettenbereiche der Medizinischen Klinik und Poliklinik). Nach strukturellen Änderungen in diesem Bereich teilte der Präsident der Universität der Klägerin mit, dass Art und Umfang ihrer Dienstaufgaben wegen der Neustrukturierung und der Einrichtung eines Zentrums für interdisziplinäre viszeral-medizinische Endoskopie überprüft und vorsorglich mit sofortiger Wirkung – soweit erforderlich, „unter ausdrücklicher Anpassung der ursprünglichen Funktionsbeschreibung“ – geändert worden seien. Dadurch entfiel für die Klägerin ein Teil der zuvor bestimmten Verantwortlichkeiten und Aufgaben in der Krankenversorgung.

Dagegen wandte sich die Klägerin. Der Hessische Verwaltungsgerichtshof hat ihrer Klage mit Urteil vom 21. Februar 2019 (Az.: 1 A 710/17) stattgegeben. Auf die Revision des beklagten Landes und des beigeladenen Universitätsklinikums hat das Bundesverwaltungsgericht das Urteil aufgehoben und die Sache (ein zweites Mal, vgl. schon Beschluss vom 24. Januar 2017 – 2 B 107.15) zur anderweitigen Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt:

Die ursprüngliche Funktionsbeschreibung stelle keinen Verwaltungsakt dar und habe der Klägerin mit den darin aufgeführten Leitungsaufgaben in der Krankenversorgung keine subjektive Rechtsposition zugewiesen. Die gegenteilige Annahme des Berufungsgerichts verstoße gegen revisibeles Recht. Dem Berufungsurteil liege eine nach allgemeinen revisionsrechtlichen Grundsätzen zu beanstandende Auslegung des Inhalts der Funktionsbeschreibung zugrunde. Zudem werde der Gewährleistungsgehalt der durch das Grundgesetz garantierten und damit der revisionsgerichtlichen Beurteilung unterliegenden Wissenschaftsfreiheit verkannt: die Tätigkeit eines Hochschullehrers der Medizin an einer Universitätsklinik sei regelmäßig – wie auch bei anderen Ärzten ohne Wissenschaftsauftrag – in die Krankenversorgung und deren Organisationsstruktur eingeordnet. Diese Einordnung sei aber nicht unveränderlich. Soweit ein Hochschullehrer im Bereich der Krankenversorgung tätig sei, garantiere ihm die Wissenschaftsfreiheit lediglich einen angemessenen Tätigkeitsbereich, der nach Umfang und Inhalt eine hinreichende Grundlage an medizinischen Erkenntnissen dafür biete, dass der Hochschullehrer sein Fach in Forschung und Lehre angemessen vertreten könne.

Da das Berufungsurteil keine Tatsachenfeststellungen dazu enthält, ob der Tätigkeitsbereich, der der Klägerin aufgrund der geänderten Funktionsbeschreibung verbleibt, nach Umfang und Inhalt so gestaltet ist, dass sie ihr Fach in Forschung und Lehre angemessen vertreten kann, hat das Bundesverwaltungsgericht die Sache an das Berufungsgericht zurückverwiesen, damit es die erforderlichen Feststellungen trifft und diese seiner erneuten Entscheidung zugrunde legt.

 

Christian Mäßen
Fachanwalt für Verwaltungsrecht

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Das HÜMMERICH legal Erbrechtsteam in der Fachliteratur: Aktuelles zur Testamentsvollstreckung

Aktuelles zur Testamentsvollstreckung – Rechtsprechung, Gestaltungsmöglichkeiten und Praxishinweise, NWB-EV 12/2020, 426 ff. und NWB-EV 1/2021, 27 ff.

Wie schon seit vielen Jahren, ist auch im Dezember 2020 ein neuer Beitrag zu Aktuellem in der Testamentsvollstreckung (Aktuelles zur Testamentsvollstreckung – Rechtsprechung, Gestaltungsmöglichkeiten und Praxishinweise – Teil 1, NWB-EV 12/20, S. 426 ff.) von einem Autorenteam des Erbrechtsdezernat von HÜMMERICH legal veröffentlicht worden. Aufgrund der Fülle an interessanter Rechtsprechung zur Testamentsvollstreckung im zurückliegenden Berichtszeitraum erstreckt sich der Beitrag über zwei Ausgaben (Teil 2, NWB-EV 1 /2021, S. 27 ff.). Dieses Mal wurde Fachanwalt für Erbrecht Eberhard Rott von dem wissenschaftlichen Mitarbeiter des HÜMMERICH legal Erbrechtsteam Ref. jur. Christian Vaaßen fachlich unterstützt. Es ging erneut darum, aus den vergangenen Entscheidungen die richtigen Schlussfolgerungen für die praktische Arbeit des Testamentsvollstreckers zu ziehen. Im ersten Teil ging es inhaltlich zum einen um die Frage, ob die Nichtberücksichtigung einer Anordnung, Vorempfänge zu berücksichtigen, als Pflichtverletzung angesehen werden kann. In erster Instanz wurde dies bejaht, das OLG bestätigte diese Auffassung. Auch die Autoren stimmen dem zu, bemängeln jedoch die nicht hinreichende Berücksichtigung erbrechtlicher Besonderheiten. Dabei wird deutlich, dass ein dem § 2204 BGB entsprechendes Vorgehen eine Haftung hätte vermeiden können. Weiterhin wurden Probleme der Entlassung eines Testamentsvollstreckers behandelt. In der Entscheidung des OLG Hamburg (Beschl. v. 28.8.2019 – 2 W 66/19) werden wesentliche Themenkomplexe der Testamentsvollstreckung angesprochen. Hier wird jedoch bedauert, dass fraglich bleibt, wie mit der letztwilligen Verfügung umzugehen ist, wonach der Testamentsvollstrecker für den Fall, dass er sein Amt nicht annehmen kann oder will, das Recht erhalten hat, seinen Nachfolger zu bestimmen.

Der zweite Teil widmet sich zunächst einer Entscheidung des OLG Köln (Beschl. v. 2.12.2019 – 2 W 347/19) und der Frage, ob das Nachlassgericht bei der Erteilung eines Testamentsvollstreckerzeugnisses vorgetragene Entlassungsgründe zu prüfen hat. Anders als das Gericht sind die Autoren der Auffassung, dass eine solche Prüfung erfolgen sollte, denn im Ergebnis würde eine anderweitige Entscheidung dazu führen, dass sich sowohl der Rechtsverkehr, als auch die Erben Verfügungen von Testamentsvollstreckern ausgesetzt sehen, bei denen klare Entlassungsgründe vorliege, die später zu vielfältigen gerichtlichen Auseinandersetzungen wegen Pflichtverletzungen führen. Ferner geht es um die Frage, ob Vorstrafen eines Testamentsvollstreckers einen Entlassungsgrund darstellen. Dies wird überwiegend bejaht. Weitere wichtige Entscheidungen für Testamentsvollstrecker werden in Kurzübersicht dargestellt.

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Das HÜMMERICH Legal Erbrechtsteam in der Fachliteratur: Grundzüge des deutschen Erbrechts

Das Autorenteam Fachanwalt für Erbrecht Eberhard Rott und wissenschaftliche Mitarbeiterin Elena Weber hat einen Beitrag über die Grundzüge des deutschen Erbrechts in The Practitioners‘ Guide to Applied Comparative Law and Language, Heidinger/Hubalek (Hrsg.) veröffentlicht.

In einer Neuauflage und unter neuem Titel erschienen, ist Anfang Januar 2021 „The Practitioners‘ Guide to Applied Comparative Law and Language“ (vormals bekannt als „Angloamerikanische Rechtssprache) mit Beiträgen aus dem US-amerikanischen, dem englischen, dem deutschen und dem österreichischen Rechtssystem, die eine fundierten Überblick über das jeweilige Fachgebiet in englischer bzw. US-amerikanischer Fachsprache geben. Den jeweiligen Facheinführungen folgen gebietsspezifische Glossare für die praktische Arbeit. In Band 1, welcher die Rechtsgebiete Vertragsrecht, Gesellschaftsrecht, Handels- bzw. Unternehmensrecht, deliktisches Schadensersatzrecht, Liegenschaftsrecht, Arbeitsrecht, Familienrecht, Erbrecht, Zivilprozessrecht und Schiedsgerichtsbarkeit behandelt, veröffentlichte das Autorenteam Fachanwalt für Erbrecht Eberhard Rott und wissenschaftliche Mitarbeiterin Elena Weber einen Beitrag über die Grundzüge des deutschen Erbrechts (S. 499 ff.), der von Frau Andrea Hubalek ins Englische übersetzt wurde. Dabei geht es um die grundlegenden Prinzipien des Erbrechts, die gesetzliche und die gewillkürte Erbfolge, das Pflichtteilsrecht, die Erbengemeinschaft sowie neben Grundzügen des Verfahrensrechts auch um Instrumentarien zum Schutz des Nachlasses und die Besteuerung im Erbfall. Ein Nachschlagewerk für Rechtsanwälte, Wirtschaftsjuristen, Wirtschaftstreuhänder, Übersetzer und Studierende sowie all jene, die mit englischsprachigen Rechts- und Wirtschaftstexten zu tun haben.

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