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Eigenbedarfs-Kündigung bei Misch-Mietverhältnis?

Ein Misch-Mietverhältnis liegt vor, wenn Räume in einem einheitlichen Mietvertrag zum einen als Wohnräume und des Weiteren als Geschäftsräume vermietet werden. Ein Urteil des BGH vom 1. Juli 2015 bringt Klarheit, wann der Vermieter wegen Eigenbedarf kündigen darf. AZ: VIII ZR 14/15

BGH: Eigenbedarf bei Misch-Mietverhältnis

Ein typisches Beispiel für ein Misch-Mietverhältnis: Vermietung eines Hauses mit einem einheitlichen Mietvertrag an einen Arzt, bei dem sich im Erdgeschoss die Arztpraxis befindet und im Obergeschoss die Wohnung des Arztes. In solchen Situationen stellt sich die Frage, ob man nach den Regeln der Geschäftsraummiete oder der Wohnraummiete kündigen kann und muss. Bei einer Kündigung nach den Regeln der Wohnraummiete benötigt man einen Kündigungsgrund, bei der Geschäftsraummiete nicht.

Der Bundesgerichtshof hat in einer Entscheidung von 2014 (Urteil vom 09.07.2014, Az.: VIII ZR 376/13) bereits betont, dass in einem solchen Fall des einheitlichen Mietverhältnisses immer nur nach den Rechtsregeln einer der beiden Vermietungsarten gekündigt werden kann, also entweder das ganze Haus als Wohnraummiete oder das ganze Haus als Geschäftsraummiete. Welche Art der Miete vorliegt, hängt davon ab, auf welcher Vermietungsart der Schwerpunkt der Vermietung beruht. Dies festzustellen ist eines der Probleme, die sich in der Praxis ergeben. Dabei hat der Bundesgerichtshof in seiner bisherigen Rechtsprechung darauf abgestellt, dass bei einer beruflichen Nutzung eines Teils des Hauses und der Wohnnutzung des anderen Teils, die Mietfläche eine untergeordnete Rolle spiele und anzunehmen sei, dass bei freiberuflicher Nutzung die berufliche Nutzung im Vordergrund stehe, auch wenn die Wohnnutzung mehr Fläche in Anspruch nimmt. Davon ist der Bundesgerichtshof schon 2014 abgewichen.

Wird ein Mietvertragsformular verwendet, welches auf die Wohnraummiete zugeschnitten ist, ist dies ein dahingehendes Indiz. Überwiegt die Fläche zur Wohnnutzung, soll dies auch ein dahingehendes Indiz sein. Weitere indizielle Wirkung kann der Verteilung des Mietaufkommens auf die Wohn- oder die gewerbliche Nutzung zukommen. Dabei ist aber zu beachten, dass gewerblicher Mietraum grundsätzlich immer teurer ist als Wohnraum. Abschließend bestätigte der Bundesgerichtshof, dass Wohnraummiete anzunehmen ist, wenn beiden Vermietungsteilen in etwa die gleiche Bedeutung zukommt.

Nach dieser Rechtsprechung war es sinnvoll, auf keinen Fall ein Formular für Wohnraummiete zu verwenden und auf jeden Fall aufzunehmen, dass der Schwerpunkt der Vermietung auf der gewerblichen Nutzung liegen soll. Nur dann kommt eine Kündigung ohne Begründung in Betracht. Hinzuweisen ist darauf, dass auch dann, wenn man eine Befristung des Mietverhältnisses wünscht, es leichter ist, dies bei einer gewerblichen Vermietung zu gestalten, als bei einer Wohnraumvermietung.

Nun hat der Bundesgerichtshof, anknüpfend an diese Entscheidung aus 2014, entschieden, dass dann, wenn nach diesen Kriterien eine Wohnraummiete gegeben ist, ein Kündigungsgrund (vor allem Eigenbedarf) sich aber nur auf den Teil der Mietfläche beziehen muss, der als Wohnraum vermietet ist. Mit anderen Worten: Der Vermieter muss Eigenbedarf nicht auch für die Praxisfläche anmelden, sondern nur für die Wohnung. Gekündigt wird aber weiterhin das gesamte Mietverhältnis. Will man die gewerbliche Vermietung fortsetzen, muss dafür nach der Kündigung ein neuer rein gewerblicher Mietvertrag nur für diese Räume geschlossen werden.

Rechtsanwalt Joachim Hermes

Veröffentlicht am 11. Oktober 2015