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Aufhebungsvertrag – Nicht vorschnell unterschreiben!

Eine aktuelle Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 24.02.2022 (Aktenzeichen: 18 SA 1124/29) zeigt dies noch einmal auf. Eine beliebte Taktik von Arbeitgebern ist es, Arbeitnehmer in eine Drucksituation zu bringen, um Sie zum Abschluss eines Aufhebungsvertrages, der das Arbeitsverhältnis zu schlechten Kondition beendet, zu drängen. Dem Fluchtinstinkt folgend, um möglichst schnell aus der Situation zu kommen, neigen Arbeitnehmer dazu, einen solchen Aufhebungsvertrag unüberlegt zu unterschreiben. Eine absolut verständliche, menschliche Reaktion. Über den Inhalt oder die Folgen haben sie sich kaum Gedanken gemacht oder aufgrund der Überrumpelungssituation gar nicht machen können. Wenn der Arbeitgeber nicht mit unzulässigen Mitteln, z.B. einer ungerechtfertigten Kündigung gedroht hat, sind die Chancen für Arbeitnehmer, diesen unliebsamen Aufhebungsvertrag wieder zu beseitigen, meist gering. 

Was war geschehen?

Der Chef hatte eine Arbeitnehmerin zu einem Personalgespräch geladen. Völlig überraschend saß im Büro des Chefs auch dessen Anwalt. Die Arbeitnehmerin wurde mit dem Vorwurf konfrontiert, sie habe unberechtigt Einkaufspreise in der EDV des Arbeitgebers abgeändert bzw. reduziert, um so einen höheren Verkaufsgewinn vorzuspiegeln. Ihr wurde ein vorgefertigter Aufhebungsvertrag vorgelegt, den sie sofort unterschreiben sollte. Die Arbeitnehmerin unterzeichnete nach einer etwa zehnminütigen Pause, in der die drei anwesenden Personen schweigend am Tisch saßen, den vorbereiteten Aufhebungsvertag, der eine Beendigung des Arbeitsverhältnisses von 8 Tagen zum Monatsende vorsah. Was sich bei dem Gespräch genau zugetragen hat und was gesagt wurde, ist zwischen den Parteien streitig geblieben. Wenige Zeit später wurde der abgeschlossene Aufhebungsvertrag dann von der Arbeitnehmerin angefochten, weil sie – wie sie sagte – zu Unrecht mit einer Kündigung bedroht und in der Situation überrumpelt worden sei, so dass sie zum Abschluss des Vertrages gedrängt wurde.

Wie wurde entschieden?

Während das Arbeitsgericht Paderborn der Klägerin noch Recht gab, entschied die zweite Instanz, das Landesarbeitsgericht Hamm, gegen die Klägerin. Auch vor dem Bundesarbeitsgericht hatte die Klägerin keinen Erfolg. Die Klägerin habe die gegen sie erhobenen Vorwürfe nicht nachvollziehbar entkräften können. Daher durfte der Arbeitgeber mit einer Kündigung und einer Strafanzeige drohen. Auch sei die vom Arbeitgeber geschaffene Situation nicht zu beanstanden. Wird einem Arbeitnehmer ein Aufhebungsvertrag nur zur sofortigen Annahme vorgelegt und ihm – trotz seines Verlangens – nicht die Möglichkeit eröffnet, einen Rechtsbeistand zum Gespräch über die Verhandlung eines Aufhebungsvertrages hinzuzuziehen, liegt darin kein Verstoß gegen die Grundsätze des fairen Verhandelns, selbst wenn das Personalgespräch unangekündigt und im Beisein des Anwalts des Arbeitgebers stattfindet, so schon die Auffassung des Landesarbeitsgerichts Hamm, aber auch des Bundesarbeitsgerichts.

Kurz noch zum Hintergrund:

Im Jahr 2019 hatte das Bundesarbeitsgericht (7.2.2019 – 6 AZR 75/18) in einer vielbeachteten Entscheidung insbesondere für arbeitsrechtliche Aufhebungsverträge entschieden, dass in bestimmten Situationen ein Aufhebungsvertrag unwirksam sein kann, wenn er unter Verletzung des sog. Gebots fairen Verhandelns zustande gekommen ist. Das Bundesarbeitsgericht hatte entschieden, das eine Verhandlungssituation dann als unfair zu bewerten ist, wenn eine psychische Drucksituation geschaffen oder ausgenutzt wird, die eine freie und überlegte Entscheidung des Vertragspartners erheblich erschwert oder sogar unmöglich macht. Dies kann durch die Schaffung besonders unangenehmer Rahmenbedingungen geschehen, die erheblich ablenken oder sogar den Fluchtinstinkt wecken. Denkbar ist auch die Ausnutzung einer objektiv erkennbaren körperlichen oder psychischen Schwäche oder unzureichender Sprachkenntnisse. Die Nutzung eines Überraschungsmoments kann ebenfalls die Entscheidungsfreiheit des Vertragspartners beeinträchtigen (Überrumpelung). Letztlich ist die konkrete Situation im jeweiligen Einzelfall zu bewerten. Wenn man sich diese Definition ansieht, dann überrascht es, dass das Bundesarbeitsgericht so entschieden hat. Es entsteht der Eindruck, dass das Gericht sich davon hat leiten lassen, dass die Arbeitnehmerin die erhobenen Vorwürfe nicht richtig entkräften konnte.

Was bedeutet das für Arbeitnehmer?

Der Fall zeigt wieder einmal, dass man niemals Aufhebungsverträge unterschreiben sollte, bevor nicht ein Fachanwalt sich den Fall angesehen hat. Ich weiß, das ist leicht gesagt. Ist es dennoch passiert, dann ist schnelles Handeln gefragt.

Als Fachanwalt für Arbeitsrecht und Autor und Referent zum Thema „Kündigung“, „Aufhebungsvertrag/Abwicklungsvertrag“ und „Abfindung“ weiß ich, was zu tun ist.

 

Thomas Regh
Fachanwalt für Arbeitsrecht
Tel.: 0228/60414-25
thomas.regh@huemmerich-legal.de