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Wirksame Befristung eines Arbeitsvertrages – offenkundig höhere Mathematik !

Befristung eines Arbeitsvertrages möglich oder nicht? Das Bundesarbeitsgericht meint: Es kommt darauf an. BAG, Urteil vom 8. Juni 2016 – 7 AZR 259/14.

Die Story zum Urteil:

Eine wissenschaftliche Mitarbeiterin war 22 Jahre lang an der Universität Leipzig beschäftigt. Eine lange Zeit. Sie arbeitete wissenschaftlich, promovierte, habilitierte sich (vulgo: hat ein wissenschaftliches Werk verfasst, das die Würden für eine Professur ebnen soll) und arbeitete danach weiter an der Uni. Sie war teils angestellt, teils auf Zeit verbeamtet, zuletzt wieder befristet beschäftigt. Als die Uni die Beschäftigung enden lassen wollte, klagte die Dame. 

Abteilung: Vor Gericht und auf hoher See …

Was folgt, ist der anschauliche Beweis dafür, dass gerichtliche Entscheidungen, zumal durch mehrere Instanzen, zumeist unvorhersehbar sind. Schicksalhaft nennt man das, wenn es in die Hose geht. Glücklich, wenn man gewinnt. Teuer in jedem Fall für den, der am Ende als Verlierer da steht. 

Eine Kneippkur durch die Instanzen:

Die Klage gegen die Wirksamkeit der Befristung – also mit dem Ziel unbefristet weiter beschäftigt zu werden – war vor dem Arbeitsgericht ohne Erfolg. Eins zu null für die Uni Leipzig. Wie  kann das sein? Ganz einfach: Die Befristung von Arbeitsverträgen ist wirksam und damit zulässig, wenn der Arbeitgeber dafür einen Sachgrund hat. Damit sich ein Arbeitgeber nicht einfach einen beliebigen Sachgrund ausdenkt, gibt das Gesetz (Teilzeit- und Befristungsgesetz – TzBfG) hilfreiche Angaben dazu, was „insbesondere“ ein wirksamer Sachgrund ist (§ 14 TzBfG). Zu diesen anerkannten Sachgründen gehört auch der, wonach „der Arbeitnehmer aus Haushaltsmitteln vergütet wird, die haushaltsrechtlich für eine befristete Beschäftigung bestimmt sind, und er entsprechend beschäftigt wird“ (§ 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 7 TzBfG). Dies war der Fall. Also war die Befristung wirksam; meinte das Arbeitsgericht.

Das Landesarbeitsgericht Chemnitz (Sachsen) gab hingegen der Klage statt. Und wieder: Wie kann das sein? Antwort: Es bleibt schwierig. Jura ist halt höhere Mathematik. Es gibt Regeln. Und Ausnahmen. Und Gegenausnahmen. Und so weiter. So auch hier: Das LAG geht davon aus, dass erstens das Gesetz über befristete Arbeitsverträge in der Wissenschaft (WissZeitVG) spezieller ist als das TzBfG und zudem einem „institutionellen Rechtsmissbrauch“ entgegen zu wirken ist. Das ist keine Erfindung der sächsischen Richter, sondern völlig auf der Linie der Gerichte, nicht nur der Arbeitsgerichte. Eins zu eins. Aber weiter. Zum BAG.

Das Bundesarbeitsgericht hob (nach mehr als weiteren zwei Jahren Verfahrensdauer) das Urteil der zweiten Instanz auf (Befristung eines Arbeitsvertrages wirksam?). Zwei zu eins für die Uni Leipzig. Begründung: Da müsse man genauer hinschauen. Und dann nochmal entscheiden. Das BAG hat also der Revision der Uni Leipzig stattgegeben. Aber der Prozess ist noch nicht zu Ende. Vielmehr wurde das Urteil des LAG Chemnitz „nur“ aufgehoben und zur erneuten Verhandlung zurück verwiesen. Da wünscht man sich als Beobachter nur: viel Erfolg (wem auch immer). 

Gibt es weitere Instanzen? Antwort: ja. Und zwar potentiell mehrere. Sicher: das LAG Chemnitz. Potentiell: erneut das BAG – dann wäre man schon bei 5 Runden allein in der Arbeitsgerichtsbarkeit. Gerne werden auch als weitere Gerichte involviert: der Europäische Gerichtshof (Vorabentscheidungsersuchen), das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe und – wenn alle Stricke reißen- der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg. 

Wer am Ende gewinnen wird, ist offen. Ein Vergleich vor dem Arbeitsgericht hätte allen Beteiligten viel Zeit und Kosten erspart.

Rechtsanwalt und Fachanwalt für Arbeitsrecht Prof. Dr. Reinhold Mauer

veröffentlicht am 25.8.2016