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Landessozialgericht Baden-Württemberg: Übungsleiter von Sportvereinen können abhängig Beschäftigte sein

Nach einem Urteil des LSG Baden-Württemberg vom 30.7.2014 – L 5 R 4091/11 – kann der sozialversicherungsrechtliche Status von Übungsleitern nach § 7 SGB IV der eines abhängig Beschäftigten sein.

Nach einem Urteil des LSG Baden-Württemberg vom 30.7.2014 – L 5 R 4091/11 – kann der sozialversicherungsrechtliche Status von Übungsleitern nach § 7 SGB IV der eines abhängig Beschäftigten sein. Der Leitsatz lautet: „Übungsleiter, die nicht ehrenamtlich, sondern gegen eine vertraglich geregelte Vergütung tätig werden, sind abhängig beschäftigte Arbeitnehmer, wenn die zu trainierenden Mannschaften und die Trainingszeiten bzw. Hallenbelegungszeiten vom Verein festgelegt werden, sie somit in die Organisationsstruktur des Sportvereins eingebunden sind (Abweichung von dem gemeinsamen Rundschreiben der Spitzenverbände der Sozialversicherung vom 05.07.2005, unverändert in der Fassung vom 13.04.2010).“

Anmerkung von Prof. Dr. Mauer: Die nach Betriebsprüfungen durch die Deutsche Rentenversicherung auftauchenden Probleme betreffen auch Sportvereine und dort insbesondere die als Übungsleiter tätigen. Eine solche Tätigkeit kann zwar selbständig ausgeübt werden, regelmäßig wird aber das Gegenteil vorliegen: Ein Arbeitsverhältnis. Abgesehen von den neuen Zusatzproblemen durch den staatlichen Mindestlohn greift die Rechtsprechung der Sozialgerichte für die Abgrenzung von selbständiger und abhängiger Beschäftigung bei Übungsleitern auf folgende Merkmale zurück: 

Maßgeblich ist zunächst das Kriterium der Eingliederung in die zeitlichen und örtlichen Planungen des Vereins. Einem Übungsleiter, der an die Trainingszeiten und die Hallenbelegungspläne des Vereins gebunden ist, ist eine völlig freie Gestaltung seiner Tätigkeit gerade nicht möglich (so bereits das Bundessozialgericht mit Urteil vom 18.12.2001 – B 12 KR 8/01 – RdNr. 14,16). Die Trainingsangebote werden in der Regel nicht vom Übungsleiter bestimmt, sondern hängen auch vom Konsumverhalten der Vereinsmitglieder und deren Wünschen hinsichtlich von Zeit, Ort und Dauer des Trainings ab. Nach der Rechtsprechung ändert dies aber nichts daran, dass die einzelnen Sportveranstaltungen Teil der Betriebsorganisation des Vereins bleiben. „Auch dem Umstand, dass der Übungsleiter für die Zahl der Trainingsteilnehmer nicht verantwortlich ist und ein davon unabhängiges Entgelt erzielt, kommt im Rahmen der Abgrenzung Bedeutung zu; dies spricht ebenfalls für eine abhängige Beschäftigung und gegen ein unternehmerisches Risiko (LSG Baden-Württemberg a.a.O. Rn. 46). Demgegenüber spricht die eigenverantwortliche Gestaltung von Trainingsinhalten durch den Übungsleiter nicht für eine Selbständigkeit, da sich der Verein der qualifizierten Übungsleiter gerade deshalb bedient, um deren Kenntnisse und Fähigkeiten zur einer eigenständigen Gestaltung und Durchführung des vom Verein angebotenen Trainings zu nutzen (a.a.O. RdNr. 46). 

Kommt es zu einer rückwirkenden Einordnung der Tätigkeit als abhängige Beschäftigung drohen Nachzahlungen in erheblicher Höhe, für die allein der Verein haftet, nicht hingegen der Übungsleiter. 

Auf die richtige Gestaltung und Durchführung sollten daher alle Sportvereine achten, egal ob sie Übungsleiter, Trainer oder Spieler für ihre Tätigkeit vergüten.

Rechtsanwalt und Fachanwalt für Arbeitsrecht Prof. Dr. Reinhold Mauer

Veröffentlicht am 07.03.2015

 

Arbeitsgericht Berlin: Mindestlohn – Keine Anrechnung von Urlaubsgeld und jährlicher Sonderzahlung

Nach der heutigen Pressemitteilung des ArbG Berlin Nr. 5/15 vom 05.03.2015 gilt folgendes:

Nach der heutigen Pressemitteilung des ArbG Berlin Nr. 5/15 vom 05.03.2015 gilt folgendes:

„Der Arbeitgeber darf ein zusätzliches Urlaubsgeld und eine jährliche Sonderzahlung nicht auf den gesetzlichen Mindestlohn anrechnen. Eine Änderungskündigung, mit der eine derartige Anrechnung erreicht werden sollte, ist unwirksam.“ 

Dem Urteil lag folgender Sachverhalt zugrunde: „Die Arbeitnehmerin wurde von der Arbeitgeberin gegen eine Grundvergütung von 6,44 EUR je Stunde zuzüglich Leistungszulage und Schichtzuschlägen beschäftigt; sie erhielt ferner ein zusätzliches Urlaubsgeld sowie eine nach Dauer der Betriebszugehörigkeit gestaffelte Jahressonderzahlung. Die Arbeitgeberin kündigte das Arbeitsverhältnis und bot ihr gleichzeitig an, das Arbeitsverhältnis mit einem Stundenlohn von 8,50 EUR bei Wegfall der Leistungszulage, des zusätzlichen Urlaubsgeldes und der Jahressonderzahlung fortzusetzen.
Das Arbeitsgericht hat die Änderungskündigung für unwirksam gehalten. Der gesetzliche Mindestlohn solle unmittelbar die Arbeitsleistung des Arbeitnehmers entgelten. Der Arbeitgeber dürfe daher Leistungen, die – wie das zusätzliche Urlaubsgeld und die Jahressonderzahlung – nicht diesem Zweck dienten, nicht auf den Mindestlohn anrechnen. Eine Änderungskündigung, mit der diese unzulässige Anrechnung erreicht werden solle, sei unzulässig.“

Arbeitsgericht Berlin, Urteil vom 04.03.2015, Aktenzeichen 54 Ca 14420/14

Anmerkung: Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig, eine Berufung zum Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg ist zulässig. Selbst wenn der Arbeitgeber Berufung einlegt, sind seine Erfolgsaussichten freilich mehr als gering. Denn nach § 1 MiLoG dürfen nur solche Geldleistungen auf den Mindestlohn angerechnet werden, die Gegenleistung für die normale Arbeitsleistung sind. Auch diese dürfen allerdings nur insoweit angerechnet werden, wie sie innerhalb der kurzen Fälligkeit nach § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 MiLoG erfolgen („spätestens am letzten Bankarbeitstag (Frankfurt am Main) des Monats, der auf den Monat folgt, in dem die Arbeitsleistung erbracht wurde“).
Gratifikationen, wie Urlaubs- und Weihnachtsgeld, die zur Belohnung der Betriebstreue gezahlt werden, sind nicht anrechenbar. Daher kann auch eine Änderungskündigung mit dem Ziel einer solchen Anrechnung nicht erfolgreich sein.

Rechtsanwalt und Fachanwalt für Arbeitsrecht Prof. Dr. Reinhold Mauer

Pressemitteilung Berlin.de

Veröffentlicht am 05.03.2015

Fehler beim Bedürftigentestament

Es kommt immer wieder vor, dass sich Kinder, denen der Erblasser gern seinen Nachlass hinterlassen würde, in einer finanziellen Notlage befinden und dadurch eine Abhängigkeit von staatlicher Unterstützung entsteht.

Es kommt immer wieder vor, dass sich Kinder, denen der Erblasser gern seinen Nachlass hinterlassen würde, in einer finanziellen Notlage befinden und dadurch eine Abhängigkeit von staatlicher Unterstützung entsteht. Den Erblasser ärgert es dann regelmäßig, wenn die Sozialleistungen wegen des Nachlasses entfallen. Der Erblasser würde das Vermögen gern dafür verwendet sehen, den Erben zusätzlich etwas zukommen zu lassen um den Standard zu verbessern. Dies alles ist möglich, setzt aber voraus, dass die dafür erforderliche Testamentsvollstreckung auch richtig angeordnet wird.

Das Landessozialgericht Niedersachen – Bremen (LSG) hatte einen Fall zu entscheiden, in denen die Erblasserin folgendes angeordnet hatte:
„Der Testamentsvollstrecker ist verpflichtet, meinem Sohn für die nachgenannten Zwecke Mittel nach freiem Ermessen aus den Erträgnissen des Vermächtnisses zur Verfügung zu stellen: Taschengeld in angemessener Höhe; Kleidung, Bettwäsche, persönliche Anschaffungen; die Einrichtung und Gewährung einer Wohnung im bisherigen Umfang einschließlich der Anschaffung der dafür notwendigen Materialien und Ausstattungsgegenstände, ärztliche Behandlung, Therapien und Medikamente, die von der Krankenklasse nicht oder nicht vollständig bezahlt werden, z.B. Brille, Zahnersatz, Kuraufenthalte, Besuche bei Verwandten und Freunden“.
Der Testamentsvollstrecker hat in der Folge all diese und weitere Kosten für den Bedürftigen getragen. Das LSG hat in seiner Entscheidung vom 13.11.2014 nun festgestellt, dass neben den Kosten für Unterkunft und Heizung damit auch der Regelbedarf des Bedachten gedeckt war, da auch Sachleistungen neben den Geldleistungen bedarfsdeckend seien. Aus den Kontoauszügen war auch zu ersehen, dass Kosten für Telefon, Rundfunkgebühren, Strom und Versicherungen gezahlt worden waren.
Mit dieser Form der Ausgestaltung der Testamentsvollstreckung wird daher dem Ansinnen des Erblassers nicht Rechnung getragen, dem Begünstigten zusätzliche Mittel neben der Grundabsicherung durch die Sozialbehörden zur Verfügung zu stellen. Es ist daher bei der Gestaltung der Testamentsvollstreckung von vorn herein darauf zu achten, dass solche Auslegungen und Wertungen durch die Gerichte ausgeschlossen, zumindest aber nicht erleichtert werden. Professioneller Rat sollte daher eingeholt werden. Das Gleiche gilt auch dann, wenn keine Abhängigkeit des Begünstigten von staatlichen Leistungen gegeben ist, dieser aber der Verfolgung durch Gläubiger ausgesetzt ist. Auch hier ist darauf zu achten, dass die Regelungen im Testament in ausreichender Form das dem Zugriff zugängliche Vermögen und Einkommen des Begünstigten von den Zuwendungen aus dem Testament abgrenzen.

Aktenzeichen des Landessozialgerichtes Niedersachsen – Bremen: L 15 AS 457/12; Urteil vom 13.11.2014; Fundstelle: ZFSH/SGB 2015, 103 ff;
Rechtsanwalt Joachim Hermes, Fachanwalt Erbrecht; Fachanwalt Familienrecht

Veröffentlicht am 02.03.2015

Griechischer Maximallohn gilt – vielleicht – zwingend in Deutschland

Das BAG hat dem EuGH die Frage vorgelegt, ob ein griechischer Maximallohn nach einem Spargesetz für den Öffentlichen Dienst auch für einen in Deutschland beschäftigten Lehrer an einer griechischer Schule gilt – Pressemitteilung des BAG 9/2015 – Beschluss vom 25.2.2015 – 5 AZR 962/13 (A)

Das BAG hat dem EuGH die Frage vorgelegt, ob ein griechischer Maximallohn nach einem Spargesetz für den Öffentlichen Dienst auch für einen in Deutschland beschäftigten Lehrer an einer griechischer Schule gilt – Pressemitteilung des BAG 9/2015 – Beschluss vom 25.2.2015 – 5 AZR 962/13 (A)
Mit Urteil vom 25.2.2015 hat das BAG dem EuGH im Wege des Vorabentscheidungsverfahrens folgende Fragen vorgelegt:

1. Findet die Rom I-VO nach Art. 28 auf Arbeitsverhältnisse ausschließlich dann Anwendung, wenn das Rechtsverhältnis durch einen nach dem 16. Dezember 2009 vereinbarten Arbeitsvertrag begründet worden ist, oder führt jeder spätere Konsens der Vertragsparteien, ihr Arbeitsverhältnis verändert oder unverändert fortzusetzen, zur Anwendbarkeit der Verordnung?

2. Schließt Art. 9 Abs. 3 Rom I-VO allein die direkte Anwendung von Eingriffsnormen eines Drittstaats aus, in dem die durch den Vertrag begründeten Verpflichtungen nicht erfüllt werden sollen oder erfüllt worden sind, oder auch die mittelbare Berücksichtigung im Recht des Staates, dessen Recht der Vertrag unterliegt?

3. Kommt dem in Art. 4 Abs. 3 EUV verankerten Grundsatz der loyalen Zusammenarbeit rechtliche Bedeutung für die Entscheidung nationaler Gerichte zu, Eingriffsnormen eines anderen Mitgliedstaats unmittelbar oder mittelbar anzuwenden?

Hintergrund ist der folgende Fall (laut Pressemitteilung des BAG):

„Der Kläger ist griechischer Staatsangehöriger und als Lehrer an der von der beklagten Republik Griechenland getragenen Griechischen Volksschule in Nürnberg beschäftigt. Er fordert weitere Vergütung für den Zeitraum Oktober 2010 bis Dezember 2012 iHv. insgesamt 20.262,32 Euro sowie Lohnabrechnungen. Die streitigen Teile der laufenden Vergütung und der Jahressonderzahlungen hat die beklagte Republik unter Berufung auf die griechischen Gesetze 3833/2010 und 3845/2010 von der zuvor in Anlehnung an deutsches Tarifrecht des öffentlichen Dienstes geleisteten Bruttovergütung in Höhe von 3.861,94 Euro monatlich abgesetzt.“

Je nach Auslegung von Art. 9 Abs. 3 Rom I-VO können zwingende Rechtsnormen eines Staates das anwendbare Vertragsrecht verdrängen, so genannte Eingriffsnormen. 

Ob die griechischen Gesetze vorliegend als Eingriffsnormen in Betracht zu ziehen sind, ist mehr als fraglich. Denn der Fall spielt auf deutschem Territorium, nicht in Griechenland.

Eine weitere Fragestellung ist die nach der Anwendung des alten Kollisionsrecht unter dem EGBGB oder bereits der neuen Rom I-VO, die nur für Verträge gilt, die nach dem 17.12.2009 geschlossen worden sind. Bei der Fortsetzung eines bereits bestehenden Arbeitsvertrages über diesen Stichtag hinaus wird die Frage relevant, sobald die Parteien den Vertrag fortsetzen, ändern oder ergänzen, so wie im vorliegenden Fall. 

Rechtsanwalt und Fachanwalt für Arbeitsrecht Prof. Dr. Reinhold Mauer

Pressemitteilung Nr. 9/15 Bundesarbeitsgericht

Veröffentlicht am 25.02.2015