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Gestaltung letztwilliger Verfügungen – Verständlichkeit zählt!

Selbst vermeintlich eindeutige Formulierungen bergen Gefahren, wenn Dritte sie nicht verstehen. Um späteren Erbstreitigkeiten bereits im Wege der Testamentsgestaltung vorzubeugen, sollten die letztwilligen Regelungen daher so formuliert werden, dass auch außenstehenden Dritten der wahre Erblasserwille hinreichend verständlich wird.

Beschluss des OLG Hamm vom 11.09.2015

In dem vom OLG Hamm am 11.09.2015 entschiedenen Fall hatten Eheleute in ihrem gemeinschaftlichen Testament neben ihrer gegenseitigen Einsetzung zu Alleinerben für den ersten Todesfall verfügt, dass nach dem Tod des Letztversterbenden die gesetzliche Erbfolge eintreten solle. Weiterhin verfügten sie eine Pflichtteilsstrafklausel. Die Eheleute hatten zwei Töchter. Nach dem Tod des Ehemannes errichtete die Ehefrau ein einseitiges Testament, in dem sie unter anderem eine Testamentsvollstreckung anordnete. Nach dem Tod der Ehefrau ist eine der Töchter der Auffassung, das gemeinschaftliche Ehegattentestament enthalte eine bindende Schlusserbeinsetzung nach den Regeln der gesetzlichen Erbfolge, so dass die spätere Testamentsvollsteckeranordnung der Mutter wegen der Wechselbezüglichkeit der Anordnungen des gemeinschaftlichen Testaments unwirksam sei.

Das OLG Hamm hat in diesem Zusammenhang festgestellt, dass weder die Anordnung zum Eintritt der gesetzlichen Erbfolge, noch die Pflichtteilsstrafklausel für sich genommen nach dem reinen Wortlaut die Annahme rechtfertigen könne, die Eheleute hätten eine bindende Regelung zur Schlusserbfolge getroffen; dies ergebe sich auch nicht aus der Kombination beider Anordnungen. Die Anordnungen seien vielmehr dem reinen Wortlaut nach einem alternativen Verständnis zugänglich; so könne die Anordnung, die durch den juristisch vorgebildeten Ehemann verfasst wurde, neben der Bestimmung einer Erbeinsetzung nach den Regeln der gesetzlichen Erbfolge auch durchaus als bloße Anerkennung des gesetzlichen Erbrechts oder nur als Abstandnahme von der Einsetzung testamentarischer Erben zu verstehen sein. Auch die Pflichtteilsstrafklausel könne sich neben einer möglichen Schlusserbeinsetzung ebenso in einer bloßen Sanktionierung einer Inanspruchnahme des überlebenden Ehegatten erschöpfen. Der Vortrag der Tochter im gerichtlichen Verfahren erschöpfte sich im konkreten Fall in Allgemeinplätzen und konnte keine tatsächlichen Anhaltspunkte für den von ihr unterstellten Erblasserwillen zu einer bindenden Schlusserbenbestimmung liefern. Aufgrund der „Unklarheit“ der testamentarischen Bestimmung sah das Gericht eine bindende Erbeinsetzung für den Schlusserbfall nicht als gegeben an, so dass die Ehefrau wirksam über den sich bei ihr vereinigenden Nachlass anderweitig testieren konnte.

In der Praxis führen laienhafte Formulierungen oder aber auch der Umstand, dass die Folgen einer letztwilligen Anordnung nicht mit letzter Konsequenz für die Zukunft sachkundig beleuchtet werden, oft dazu, dass sich ein Gericht mit der Auslegung des wahren Erblasserwillens beschäftigen muss. Eine fachkundige Beratung bei der Nachfolgegestaltung hilft solche Unsicherheiten zu vermeiden. Hierbei können ebenso auch steuerrechtliche Folgen der Anordnungen beachtet werden, die sich eine Vielzahl von Erblassern häufig nicht vor Augen führt und insoweit oftmals zu unerwünschten Folgen bei den Bedachten führen können. Die Kosten späterer Erbstreitigkeiten können die Kosten einer sachgerechten Testamentsberatung dabei schnell um ein Vielfaches übersteigen. Die persönlichen Spannungen zwischen den Beteiligten sind jedoch, wenn es erst einmal zu einem Gerichtsverfahren kommt, vielfach nicht mehr reparabel, selbst wenn die Rechtslage durch das Gericht geklärt wird, was durch eine klare Erbfolgeregelung bereits von Anfang an verhindert werden könnte.

 

Rechtsanwältin Silvia Sünnemann, Fachanwältin für Erbrecht