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BGH: Erbrecht kennt keinen Datenschutz! – Was Erblasser und Erben jetzt wissen müssen

„Daten sind das Gold der Zukunft.“ Seit dem 12.07.2018 sind sie das Gold der Gegenwart. Der Bundesgerichtshof (BGH) hat an diesem Tag entschieden, dass sich der sog. digitale Nachlass nicht anders vererbt, als wir das nach den Regeln unseres am 01.01.1900 in Kraft getretenen Bürgerlichen Gesetzbuches für körperliche Gegenstände und Forderungen kennen. Das bedeutet, dass unsere modernen Lebenssachverhalte nach althergebrachten Rechtsgrundsätzen zu regeln sind. Dass dies zu Friktionen führen wird, liegt auf der Hand. Zum Glück hat der BGB-Gesetzgeber uns Mittel und Wege an die Hand gegeben, uns selbst zu helfen. Gewusst wie, ist aber nicht ganz einfach.

Zunächst zur Entscheidung des BGH vom 12.07.2018. Wenn Sie die Urteilsverkündung hier nachverfolgen (https://www.youtube.com/watch?v=i_EyYqVYNz4 ), werden Sie vermutlich die Bedeutung der Entscheidung noch gar nicht nachvollziehen können. In der Entscheidung ging es darum, ob die Eltern eines verstorbenen Mädchens den Zugang zum Facebook Account ihrer Tochter erhalten. Der BGH hat dies bestätigt, entgegen der Auffassung der Vorinstanz.

Wer denkt, er habe gar keinen Facebook Account, also betreffe ihn dieses Urteil nicht, greift zu kurz. Anders als die Vorinstanz ist der BGH nämlich der Auffassung, dass sich der Betreiber eines sozialen Netzwerkes gegenüber den Erben nicht auf die Rechte Dritter, die ihren Telekommunikationsweg als geschützt ansehen, berufen dürfen. Mit anderen Worten: Für die Erben sind alle Daten gläsern, der Erbe sieht alles.

Wer ist von diesem Urteil betroffen? Hierzu gibt es eine ganz einfache Antwort: Jeder! In unserer modernen Welt gibt es schlicht niemanden, der nicht an der ein oder anderen Stelle mit digitalen Sachverhalten in Berührung kommt. Die Entscheidung betrifft nicht nur bei Facebook hinterlegte Daten, sondern schlicht alle digitalen Inhalte, egal wie und wo sie gespeichert sind.

Was bedeutet dies nun für die Nachlassbeteiligten?

In erster Linie ist der Erblasser gefordert. Das deutsche Erbrecht zeichnet sich dadurch aus, dass wir praktisch jeden Lebenssachverhalt so regeln dürfen, wie es unseren eigenen persönlichen Vorstellungen entspricht. Dass dies in der Praxis nicht immer funktioniert, legt eigentlich nur daran, dass die meisten Menschen die Auswirkungen der jeweiligen Rechtsregeln auf ihre konkreten Lebensverhältnisse nicht richtig einzuschätzen wissen. Ohne professionelle Hilfe geht es heute nicht mehr – erst recht nicht nach der Entscheidung des BGH. Ein von irgendwelchen Formularbüchern abgeschriebenes Testament mag zwar recht sicher wirken, versagt jedoch in der Praxis regelmäßig.

Der (künftige) Erblasser muss damit rechnen, dass seinen Erben in seine sämtlichen Daten, die auf einem Computer, in Clouds, einem mobilen Telefon, Laptops, aber auch auf mobilen Speichermedien wie Festplatten, USB-Stick u.v.m. gelagert sind, in vollem Umfang zur Verfügung stehen, man kann auch sagen, von ihnen ausgeschnüffelt werden, und zwar einschließlich der Personen, zu denen Kontakte bestanden haben. Hier muss sich der (künftige) Erblasser Fragen stellen, die nur er und nur ganz persönlich beantworten kann: Will er beispielsweise, dass die gemeinnützige Organisationen, die er als Erben eingesetzt hat, den vollen Zugriff auf sein gesamtes Datenmaterial erhalten? Wenn nein, bedarf es entsprechender Regelungen. Diese sollten im Testament verankert sein – und sinnvollerweise auch in der begleitenden Vorsorgevollmacht. Möchte er nicht, dass seine Daten einem bestimmten Menschen zugänglich werden, kann er ihn als Erben ausschließen. Oder aber beispielsweise einen Testamentsvollstrecker bestimmen, der konkrete Anweisungen dazu erhält, wie mit den Daten so umzugehen ist, so dass der Erbe gerade keinen Zugriff erhält.

Hat der Erbe (berechtigterweise) Zugriff auf die Daten, wird er sich mit ihnen zukünftig intensiver auseinandersetzen müssen. Das „Gold der Zukunft“ hat einen wirtschaftlichen Wert. Selbst wenn er diesen Wert nicht für sich heben will, werden ihn andere dazu zwingen. Beispielsweise das Erbschaftsteuerfinanzamt. Oder der Pflichtteilsberechtigte. Hier kann vieles auf die Beteiligten zukommen. Man braucht noch nicht einmal an Bitcoins und Co. zu denken. Oder bestehende Guthaben bei Bezahldiensten. Schon ein normaler Hobbyfotograf hinterlässt auf seiner Festplatte leicht 20.000 wunderschöne Fotos. Auch wenn er selbst nie daran gedacht hat: tatsächlich gibt es einen florierenden Markt für digitale Fotografie. Ebenso unveröffentlichte Texte, Gedichte ö.ä.. Die Reihe ließe sich nahezu unendlich fortsetzen.

Der Pflichtteilsberechtigte, der sich ohnehin schon erbrechtlich zurückgesetzt fühlt, wird jeden ihm möglich erscheinenden Angriffspunkt nutzen. Man kann gespannt darauf sein, welche Grundsätze die Rechtsprechung zur Auskunftserteilung über den digitalen Nachlass entwickeln wird. Oder intelligente Ausweichstrategien entwickeln.

 

Die HÜMMERICH legal Fachanwälte für Erbrecht verfolgen die Rechtsentwicklung schon seit Jahren, sie veröffentlichen und referieren zu diesen Themen (u.a. Rott, Eberhard / Rott, Alexander, Wem gehört die E-Mail? Rechts- und Praxisprobleme beim digitalen Nachlass, NWB-EV 2013, 160 – 168 ) und stehen Ihnen daher als kompetente Ansprechpartner auch für Ihre Themen rund um den digitalen Nachlass zur Verfügung.