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BGH verbessert die Chancen der Kläger auf Schadensersatz gegen die VW AG.

Am 19.02.2019 gab das Gericht eine überraschende Presseerklärung ab. Es kündigte die Veröffentlichung eines Hinweisbeschlusses vom 08.01.2019 an. Inzwischen ist dies geschehen. Das ist deshalb besonders erstaunlich, weil der BGH damit eine Rechtsauffassung zu einem Verfahren bekannt macht, das die Parteien durch einen Vergleich kurz vor der mündlichen Verhandlung erledigt hatten.

Diese Bekanntmachung erfolgte am selben Tag, an dem das OLG Braunschweig eine Pressmitteilung mit dem Inhalt abgab, dass es den Schadensersatzanspruch eines VW Kunden abweist und das VG Oldenburg die Androhung einer Stilllegung eines nicht nachgerüsteten Fahrzeugs mit dem VW-Motor mit der Typbezeichnung EA 189 durch die Zulassungsbehörde für rechtens erklärt.

Das halten wir nicht für Zufall!

Die Gründe für die Klageabweisung in Braunschweig sind nicht mit der Rechtsauffassung des BGH vereinbar.

So erklärte der BGH nun, dass Fahrzeuge mit der sog. Schummelsoftware von VW mangelhaft im Sinne des Kaufrechts sind. Dem Kunden stünden gegen den Händler daher Gewährleistungsrechte, möglicherweise auch der Anspruch auf Nachlieferung, und zwar möglicherweise auch eines völlig neuen Fahrzeugs einer neuen Generation des Fahrzeugtyps zu. VW hätte beim Verkauf garantiert, dass das Fahrzeug den verwaltungsrechtlichen Zulassungsvorschriften entspräche. Schon die Möglichkeit der Betriebsstillegung stelle bereits den Mangel dar.

Die Entscheidung des VG Oldenburg dokumentiert den Nachteil durch die Schummelsoftware für den Kunden anschaulich.

Das OLG Braunschweig meinte indes, dass der Verkauf von Fahrzeugen mit Schummelsoftware keinen Schaden beim Kunden verursacht hätte. So sei die Beschaffenheitsgarantie, die der BGH nun annimmt, von VW nicht gegeben worden. Auch die Entscheidung aus Braunschweig wird dem BGH vorgelegt werden, wenn VW nicht wieder – wie bisher- die Entscheidung durch Zahlungen an den klagenden Kunden verhindert.

Die Instanzgerichte in Deutschland entscheiden derzeit in der deutlichen Mehrheit für die Kunden, die direkt gegen VW auf Schadensersatz klagen. Das gilt auch für Käufer von Fahrzeugen anderer Marken aus dem VW-Konzern. Entscheidend ist dabei allein, dass es sich um ein Fahrzeug mit dem Motor des Typs EA 189 handelt. Dieser ist beispielsweise in der ersten Generation des Tiguan, aber auch in Audis und Skodas verbaut worden. Der Anspruch soll auch Käufern von Gebrauchtwagen zustehen.

Auch Hümmerich legal klagt für mehrere Mandanten gegen die VW AG, und zwar derzeit vor den Landgerichten in Bonn und Köln. Diese Gerichte und das OLG köln entscheiden inzwischen einheitlich für den Kunden. Die Klagen richten sich auf Schadensersatz, und zwar auf die Rückzahlung der Kaufpreise abzüglich einer Entschädigung für den bisherigen Nutzungsvorteil. In allen von Hümmerich legal vertretenen Fällen läge der so zu ermittelnde Schadensersatz deutlich oberhalb des Zeitwerts der Fahrzeuge. Im Übrigen folgen wir einer Entscheidung des LG Bonn, die auch einen Anspruch auf Zahlung von Zinsen ab Kauf (!) anerkennt, wobei dieser Zinsanspruch in der Praxis sogar den anzurechnenden Nutzungsvorteil kompensieren kann.

Wir halten die Musterfeststellungsklage derzeit für deutlich weniger effektiv als die Individualklagen. Die Rechtsschutzversicherer decken im Regelfall das Kostenrisiko der Individualklagen. Es sprechen gute Gründe dafür, dass diese Ansprüche erst mit Ablauf des Jahres 2019 verjähren.

 

Rechtsanwalt Dr. Christoph Schiemann, Fachanwalt für Steuerrecht und Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht