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Bundesarbeitsgericht: Zur angemessenen Höhe einer Ausbildungsvergütung

Mit Urteil vom 29. April 2015 hat das BAG ein Urteil zur angemessenen Höhe einer Ausbildungsvergütung gefällt. Auszubildende dürfen ebenso wenig ausgebeutet werden, wie alle anderen Arbeitnehmer. Unterschreitet eine Ausbildungsvergütung die übliche Höhe um mehr als 20 %, so ist die Vergütung sittenwidrig. Als Folge dessen ist die übliche, tarifliche Vergütung geschuldet. Dies gilt auch dann, wenn die Parteien des Berufsbildungsvertrags keiner Tarifbindung unterfallen. Pressemitteilung des BAG vom 29.4.2015 Nr. 28/15. Aktenzeichen 9 AZR 108/14.

 

Die Höhe einer Ausbildungsvergütung richtet sich nach dem Maßstab der Angemessenheit. Dies folgt unmittelbar aus dem Gesetzeswortlaut des § 17 Abs. 1 S. 1 BBiG wo es heißt, dass der Ausbilder dem Auszubildenden eine angemessene Vergütung gewähren zu hat.

Was bedeutet die Anwendung der Verpflichtung zur Zahlung einer angemessenen Vergütung nun konkret für das einzelne Ausbildungsverhältnis? Diese Frage stellt sich jedem Auszubildenden, der vor der verbindlichen Begründung eines Berufsausbildungsverhältnisses überlegt, wieviel Geld ihm während der Ausbildungsdauer pro Monat zur Verfügung stehen wird.

Mit Urteil vom 29.04.2015 hat sich das Bundesarbeitsgericht eingehend mit der praktischen Anwendung der Vorschrift des § 17 Abs. 1 S. 1 BBiG bei der Festlegung der für die Ausbildungszeit zu zahlenden Vergütung befasst (Aktenzeichen: 9 AZR 108/14). In dem zur Entscheidung stehenden Rechtsstreit war der Beklagte ein gemeinnütziger privatrechtlich organisierter Berufsausbildungsverein. Entsprechend des Vereinszwecks zur Förderung einer qualitativ hochwertigen Berufsausbildung schloss der Verein mit potenziellen Auszubildenden jeweils unmittelbar Berufsausbildungsverträge ab, wobei die praktische Durchführung der Ausbildung sodann in den Mitgliedsbetrieben des Vereins erfolgte. Der Kläger, geboren im Jahr 1990, hatte im Rahmen dieses Konzepts im Januar 2008 mit dem Verein einen Berufsausbildungsvertrag abgeschlossen und auf dieser rechtlichen Grundlage vom 01.09.2008 bis 07.02.2012 bei einem der Mitgliedsunternehmen erfolgreich eine Ausbildung zum Maschinen- und Anlagenführer absolviert. Während der Dauer der Ausbildung erhielt der Kläger von dem Verein eine Ausbildungsvergütung, deren Höhe sich auf ca. 55 % der nach den Tarifverträgen der Metall- und Elektroindustrie in Bayern vorgesehenen Ausbildungsvergütung belief. Nach viermonatiger Ausbildungsdauer betrug die monatliche Bruttovergütung des Klägers deshalb lediglich 395,00 €. Eine rechtliche Tarifgebundenheit bestand bei den Parteien des Rechtsstreits nicht.

Vor diesem Hintergrund begehrte der Kläger von dem beklagten Ausbildungsverein die Nachzahlung der Differenz zwischen der tatsächlich gewährten Ausbildungsvergütung und dem, was er auf der Grundlage der einschlägigen tarifvertraglichen Regelungen erhalten hätte, insgesamt 21.678,02 € brutto.

Das BAG gab dem Zahlungsanspruch des Klägers unter Aufrechterhaltung der Urteile der Vorinstanz in vollem Umfang statt. Zur Begründung verwies das Gericht im Wesentlichen darauf, dass das Gebot der Angemessenheit einer Ausbildungsvergütung nach § 17 Abs. 1 S. 1 BBiG regelmäßig dann verletzt werde, wenn die tatsächlich gewährte Vergütung während der Zeit der Berufsausbildung die einschlägig durch Tarifvertrag vorgesehene Ausbildungsvergütung um mehr als 20 % unterschreite. Einschlägige Tarifverträge nach Region, Branche und fachlicher Tätigkeit, so die Richter des BAG, seien der grundlegende Bezugspunkt für die Angemessenheit im Sinne des § 17 Abs. 1 BBiG, auch wenn die Parteien des Berufsausbildungsverhältnisses keiner Tarifbindung unterliegen sollten. Dabei soll es nach Auffassung des BAG keinen Unterschied machen, ob der Auszubildende in einem Berufsausbildungsverhältnis mit einem gewerblichen Arbeitgeber steht oder ob der Ausbildende ein gemeinnützig agierender Ausbildungsverein ist.

Abschließend bleibt die Feststellung, dass es jedem Auszubildenden auf der Grundlage dieser jüngsten BAG-Entscheidung möglich ist, die Angemessenheit seiner eigenen Vergütung individuell festzustellen. Maßgeblich ist die Höhe der Ausbildungsvergütung, die sich aus dem jeweils einschlägigen Tarifvertragswerk entnehmen lässt. Alles, was diese Bezugsgröße um mehr als 20 % unterschreitet, ist ein deutlicher Hinweis auf eine unangemessene Entlohnung unter Verstoß gegen § 17 Abs. 1 S. 1 BBiG, der nur im Einzelfall durch gewichtige Gründe auf Seiten des Ausbilders widerlegt werden kann.

BAG Pressemitteilung Nr. 28/15

Rechtsanwältin Franziska K. Grafe

Veröffentlicht am 30.4.2015