News

Universitätsmedizin: Wissenschaftsfreiheit garantiert nicht die Beibehaltung einer Leitungsfunktion im Bereich der Krankenversorgung

Die im Grundgesetz in Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG geschützte Wissenschaftsfreiheit gewährleistet nicht, dass der in einer so genannten Funktionsbeschreibung festgelegte Tätigkeitsbereich einer Universitätsprofessorin an einem Universitätsklinikum, den sie neben ihren Aufgaben in Forschung und Lehre an der Universität wahrzunehmen hat, nach einer Umstrukturierung des Klinikums weiterhin eine Leitungsfunktion im Bereich der Krankenversorgung umfasst. Das hat das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig mit Urteil vom 3. Februar 2021 entschieden und damit seine Rechtsprechung zu Chefärzten ergänzt und präzisiert (Az: 2 C 4.19).

Die Klägerin ist als habilitierte Humanmedizinerin mit der Lehrbefugnis für das Fach „Innere Medizin“ im hessischen Landesdienst an einer Universität und an einem Universitätsklinikum tätig. Die ursprüngliche Funktionsbeschreibung (vgl. § 68 Abs. 1 Satz 1 HSchulG HE 2010), die auf die Ausschreibung der Universitätsprofessur Bezug nimmt, beinhaltete auch Leitungsfunktionen in der Krankenversorgung des Universitätsklinikums (die Fachaufsicht und Leitung der gastroenterologischen Funktions- und Bettenbereiche der Medizinischen Klinik und Poliklinik). Nach strukturellen Änderungen in diesem Bereich teilte der Präsident der Universität der Klägerin mit, dass Art und Umfang ihrer Dienstaufgaben wegen der Neustrukturierung und der Einrichtung eines Zentrums für interdisziplinäre viszeral-medizinische Endoskopie überprüft und vorsorglich mit sofortiger Wirkung – soweit erforderlich, „unter ausdrücklicher Anpassung der ursprünglichen Funktionsbeschreibung“ – geändert worden seien. Dadurch entfiel für die Klägerin ein Teil der zuvor bestimmten Verantwortlichkeiten und Aufgaben in der Krankenversorgung.

Dagegen wandte sich die Klägerin. Der Hessische Verwaltungsgerichtshof hat ihrer Klage mit Urteil vom 21. Februar 2019 (Az.: 1 A 710/17) stattgegeben. Auf die Revision des beklagten Landes und des beigeladenen Universitätsklinikums hat das Bundesverwaltungsgericht das Urteil aufgehoben und die Sache (ein zweites Mal, vgl. schon Beschluss vom 24. Januar 2017 – 2 B 107.15) zur anderweitigen Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt:

Die ursprüngliche Funktionsbeschreibung stelle keinen Verwaltungsakt dar und habe der Klägerin mit den darin aufgeführten Leitungsaufgaben in der Krankenversorgung keine subjektive Rechtsposition zugewiesen. Die gegenteilige Annahme des Berufungsgerichts verstoße gegen revisibeles Recht. Dem Berufungsurteil liege eine nach allgemeinen revisionsrechtlichen Grundsätzen zu beanstandende Auslegung des Inhalts der Funktionsbeschreibung zugrunde. Zudem werde der Gewährleistungsgehalt der durch das Grundgesetz garantierten und damit der revisionsgerichtlichen Beurteilung unterliegenden Wissenschaftsfreiheit verkannt: die Tätigkeit eines Hochschullehrers der Medizin an einer Universitätsklinik sei regelmäßig – wie auch bei anderen Ärzten ohne Wissenschaftsauftrag – in die Krankenversorgung und deren Organisationsstruktur eingeordnet. Diese Einordnung sei aber nicht unveränderlich. Soweit ein Hochschullehrer im Bereich der Krankenversorgung tätig sei, garantiere ihm die Wissenschaftsfreiheit lediglich einen angemessenen Tätigkeitsbereich, der nach Umfang und Inhalt eine hinreichende Grundlage an medizinischen Erkenntnissen dafür biete, dass der Hochschullehrer sein Fach in Forschung und Lehre angemessen vertreten könne.

Da das Berufungsurteil keine Tatsachenfeststellungen dazu enthält, ob der Tätigkeitsbereich, der der Klägerin aufgrund der geänderten Funktionsbeschreibung verbleibt, nach Umfang und Inhalt so gestaltet ist, dass sie ihr Fach in Forschung und Lehre angemessen vertreten kann, hat das Bundesverwaltungsgericht die Sache an das Berufungsgericht zurückverwiesen, damit es die erforderlichen Feststellungen trifft und diese seiner erneuten Entscheidung zugrunde legt.

 

Christian Mäßen
Fachanwalt für Verwaltungsrecht