News

Können „Scheinbewerber“ diskriminiert werden?

Das Bundesarbeitsgericht hat mit Beschluss vom 18. Juni 2015 dem Europäischen Gerichtshof die Frage vorgelegt, ob ein Bewerber, der sich nur zum Schein bewirbt, eine Entschädigung wegen angeblicher Diskriminierung geltend machen kann. Aktenzeichen 8 AZR 848/13 (A), Pressemitteilung des BAG vom 18. Juni 2015.

Bei den in Deutschland vorkommenden Diskriminierungsopfern handelt es sich statistisch gesehen gehäuft um arbeitslose oder jedenfalls unausgelastete Juristen. So auch im vorliegenden Fall. Ein Rechtsanwalt, männlich und nicht mehr ganz frisch, bewarb sich bei einer Versicherung auf eine Trainee-Stelle. Die Versicherung hatte mehrere Stellen für ein auf ein Jahr befristetes Trainee-Programm in den Fachrichtungen Wirtschaftswissenschaften, Wirtschaftsmathematik, Wirtschaftsinformatik und Jura ausgeschrieben. Die Bewerber sollten unter anderem einen sehr guten Hochschulabschluss in einer der oben genannten Fachrichtungen, der nicht länger als 1 Jahr zurück liegt oder innerhalb der nächsten Monate erfolgt, vorweisen. 

Dies war bei dem Anwalt natürlich nicht der Fall – ein Scheinbewerber. Er bewarb sich und teilte ausschweifend mit, welche Berufserfahrung und Führungskenntnisse er vorweise. Das war der Versicherung egal, da er offenkundig nicht ins Profil passt. Er erhielt eine Absage. Postwendend meldete sich der Jurist und teilte mit, er sei – wegen seines Alters – diskriminiert worden. Er begehrte eine Entschädigung nach dem AGG in Höhe von 14.000 Euro. 

Die Versicherung trat die Flucht nach vorne an und bat den Anwalt zum Vorstellungsgespräch, was dieser jedoch von der zuvorigen Zahlung der Entschädigung abhängig machte. Es folgte ein bunter Rechtsstreit durch zahlreiche Instanzen: Vom Arbeitsgericht Wiesbaden zum LAG Hessen in Frankfurt, wobei beide den Anspruch wegen der nicht ernsthaften Bewerbung ablehnten. Eine Beschwerde zum Bundesarbeitsgericht durch den klagenden Anwalt war erfolgreich. Die Sache wurde erneut an das LAG Hessen verwiesen, das die Berufung jedoch erneut ablehnte. Die zugelassene Revision landete – erneut – beim 8. Senat des BAG, der hierüber am 18. Juni 2015 den Beschluss fasste, die Sache durch den EuGH entscheiden zu lassen.

Das BAG meint, dass nach deutschem Recht auf Basis des AGG die Klage keinen Erfolg haben könne. Dies aber kollidiere möglicherweise mit dem Unionsrecht. Das BAG hierzu: „Das Unionsrecht nennt jedoch in den einschlägigen Richtlinien nicht den „Bewerber“, sondern schützt den „Zugang zur Beschäftigung oder zu abhängiger und selbständiger Erwerbstätigkeit“. Nicht geklärt ist, ob das Unionsrecht ebenfalls voraussetzt, dass wirklich der Zugang zur Beschäftigung gesucht und eine Einstellung bei dem Arbeitgeber tatsächlich gewollt ist. Ob für das Eingreifen des unionsrechtlichen Schutzes das Vorliegen einer formalen Bewerbung genügt, ist eine allein dem Gerichtshof überantwortete Auslegungsfrage.“

Diese Frage hat nun der EuGH zu klären.

Rechtsanwalt und Fachanwalt für Arbeitsrecht Prof. Dr. Reinhold Mauer

Veröffentlicht am 19. Juni 2015