Verlust des Pflichtteils durch Vereinbarung einer Gütertrennung?

Ein Ehe- und Erbvertrag vor Eheschließung, in dem zwei Menschen, die beide bereits zum zweiten Mal heiraten und Kinder aus erster Ehe haben, eine Gütertrennung vereinbaren, ist keine Seltenheit. Der Notar weist in diesen Fällen darauf hin, dass sich die gesetzlichen Erbquoten und die Pflichtteilsquoten ändern, da der zusätzliche Erbteil nach § 1371 Abs. 1 BGB entfällt. Beide Ehegatten setzen dann häufig die Kinder aus erster Ehe zu ihren Alleinerben ein und der Ehegatte, der Eigentümer der Ehewohnung ist, ordnet ein Vermächtnis an, das dem anderen Ehegatten ein persönliches lebenslanges Wohnrecht an der Ehewohnung einräumt. So auch geschehen in einem Fall, der dem Oberlandesgericht Düsseldorf (OLG), Entscheidung vom 09.07.2021 (Az. 7 U 110/20), vorlag. Die Ehefrau hatte das Vermächtnis nach dem Tod des Ehemannes ausgeschlagen und den Pflichtteil verlangt.

Für das OLG ergab sich die Frage, ob eine solche Vereinbarung auch einen konkludenten Verzicht auf ein Pflichtteilsrecht enthalten kann. Das Landgericht Duisburg hatte so entschieden. Dieses kam zu dem Schluss, dass die Gesamtkonstruktion nahelegt, dass die Ehegatten keinerlei wechselseitige Ansprüche für den Fall des Todes des jeweils anderen bestehen lassen wollten. Damit seien Pflichtteilsansprüche ausgeschlossen.

Der Bundesgerichtshof hat grundsätzlich entschieden, dass ein konkludenter Verzicht auf den Pflichtteil möglich ist. Aber, so das OLG, angesichts der Tatsache, dass sich der Pflichtteil unmittelbar aus dem Gesetz ergibt und nur unter extrem schwierigen Umständen nach § 2333 BGB entzogen werden kann, sind hohe Anforderungen an einen konkludenten Verzicht zu stellen. Aus dem Vertrag müssen sich ausreichend sichere Anhaltspunkte ergeben, die einen solchen konkludenten, nicht ausdrücklich vereinbarten Pflichtteilsverzicht nahelegen.

Im Hinweis des Notars auf die Folgen der Gütertrennung für die Pflichtteilsquote kann ein solcher Anhaltspunkt nicht gesehen werden, da diese Erklärung in erster Linie als Hinweis zu sehen ist und auch deutlich macht, dass ein Entstehen von Pflichtteilsansprüchen den Parteien bekannt war. Ein Anhaltspunkt, den Anspruch zur Gänze auszuschließen, ergäbe sich daraus nicht.

Die wechselseitige Enterbung mit den jeweiligen Kindern als Alleinerben spricht ohne weitere Anhaltspunkte nicht dafür, dass auch der Pflichtteilsanspruch ausgeschlossen sein sollte. Dieser wird durch die Enterbung des Ehegatten erst begründet.

Die Vereinbarung der Gütertrennung führe ebenfalls nicht zu einem Wegfall des Pflichtteilanspruches, habe lediglich Auswirkungen auf dessen Quote.

Aus der Gewährung des Vermächtnisses (Wohnrecht) war kein Pflichtteilsverzicht herauszulesen, selbst dann, wenn der Wert des Vermächtnisses zum Zeitpunkt des Erbvertrages u.U. einen Pflichtteilsanspruch übertroffen hätte und damit das Wohnrecht einen Pflichtteilsanspruch rechnerische ausgeschlossen hätte. Ob diese Werte beim Erbfall gegeben sein würden, konnte bei Vertragsschluss niemand wissen.

Zu beachten wäre weiter, dass der Ehemann, da er kein Vermächtnis erhielt, für den Fall des Todes der Ehefrau einen Anspruch hätte. Es sei nicht erkennbar, dass ein Pflichtteilsverzicht nur einseitig erklärt werden sollte. Abschließend sprachen die verschiedenen Quoten für den Pflichtteil (der Mann hatte ein Kind, die Frau drei), also nicht für einen Verzicht.

Auch aus der Summe aller Aspekte, die für sich allein keinen ausreichenden Anhaltspunkt gewähren, kann kein Pflichtteilsverzicht herausgelesen werden. Die Anforderungen an einen konkludenten Pflichtteilsverzicht seien so hoch, dass ein solcher aus dem Vertrag nicht zu entnehmen sei.