Ehescheidung - was bewirkt die Rücknahme des Scheidungsantrags?
Voraussetzung für die Scheidung einer Ehe ist das Scheitern der Ehe. Dies wird unwiderruflich vermutet, wenn die Eheleute getrennt leben und beide einen Scheidungsantrag stellen bzw. der antragsgegnerische Ehegatte dem Scheidungsantrag des antragstellenden Ehegatten zustimmt. Was aber geschieht, wenn zwar der antragsgegnerische Ehegatte dem Antrag zustimmt oder sogar einen eigenen Antrag stellt, dann aber seinen Antrag zurücknimmt und erklärt, er wolle die Ehe retten? Über einen solchen Fall hatte das Kammergericht Berlin (KG: Beschluss vom 15.07.2022; Az.: 16 UF 65/22) zu entscheiden.
Im konkreten Fall hatte bereits eine mündliche Verhandlung stattgefunden, in dem die Scheidungsanträge gestellt worden waren. Danach wurde der Scheidungsantrag der Antragsgegnerin zurückgenommen. Der Antragsteller stimmte der Rücknahme nicht zu. Das KG Berlin entschied insoweit, dass damit die Rücknahme des Antrags nicht wirksam war und damit beide Ehegatten einen Antrag gestellt hatten. Wenn man einen solchen Schritt aus taktischen Gründen erwägt, muss die Rücknahme also zwingend vor der mündlichen Verhandlung erfolgen.
Selbst dann aber, wenn der Antrag der Ehefrau wirksam zurückgenommen worden wäre, so das KG Berlin, war dem Scheidungsantrag stattzugeben, da der Ehemann definitiv erklärt hatte, die Ehe nicht fortsetzen zu wollen und auf seinem Scheidungsbegehren bestanden hat. Dies reiche bei der Gesamtsituation aus, um ein Scheitern der Ehe anzunehmen, auch wenn die Ehefrau ihren eigenen Antrag zurückgenommen hätte.
Es gibt immer wieder Fälle, in denen aus taktischen Gründen kein eigener Scheidungsantrag gestellt wird, um das Verfahren zu verzögern, ggf. sogar ein Abweisungsantrag gestellt wird. Sollte man eine solche Taktik erwägen, wäre darauf zu achten, dass nicht zuvor ein eigener Antrag gestellt wird oder der Scheidung zugestimmt wird. Bereits zu Beginn muss einkalkuliert werden, ob man verzögern will oder nicht. Ein Wechsel der Taktik im laufenden Verfahren läuft Gefahr, nicht wirksam verfolgt werden zu können.