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Deutschlands längster Erbrechtsstreit – und was wir daraus lernen können.

Sie werden es sicherlich der Presse entnommen haben. In Deutschlands vermutlich längstem Erbrechtsstreit ist 34 Jahre nach der Klageeinreichung ein Urteil gesprochen worden. Und das erst in der 1. Instanz. Viele Menschen denken, „in meiner Familie passiert das nicht“. Dies ist ein weit verbreiteter Irrtum. Erbrechtsstudien bestätigen das Gegenteil.

Der längste HÜMMERICH legal – Erbrechtsstreit dauerte 16 Jahre. Es war ein „einfacher“ Streit zwischen Bruder und Schwester. Was den Eltern einfach erschien, entpuppte sich allerdings als juristisch sehr schwierig und warf darüber hinaus komplizierte Bewertungsfragen im Grundstücksbereich auf. Der Rechtsstreit war zweimal beim Bundesgerichtshof und nach entsprechender Zurückweisung dreimal beim Oberlandesgericht.

Aktuelle Untersuchungen zeigen: Künftige Erblasser rechnen nur zu einem sehr geringen Teil mit Streitigkeiten um das Erbe. Anders die künftigen Erben: Hier rechnet ein deutlich höherer Prozentsatz mit Streitigkeiten. Man kennt eben sein Geschwisterchen schon aus Sandkastenzeiten, als man sich noch wechselseitig die Schäufelchen über den Kopf haute.

Die Erklärung liefern Psychologen: Mit dem Tod der Erblasser bricht die bis dahin bestehende hierarchische Struktur in der Familie zusammen, die ordnende Hand fällt weg. Die jeweiligen Grenzen müssen neu ausgelotet werden. Hinzu kommt, dass dritte Personen nunmehr eine deutlich stärkere Rolle spielen, die Partner der jeweiligen Erben. Nicht selten wird in Fortbildungsveranstaltungen für Erbrechtler die Situation berichtet, dass die eigentlich treibende Kraft an einer Erbauseinandersetzung aus dem Bereich der Schwiegerkinder kommt.

Was kann man nun tun? Viele Menschen denken, ein „rechtssicheres“ Testament genüge, um ein geordnetes Haus zu hinterlassen. Aber das kann nur der Anfang sein. Bei der Wahl der vielen Gestaltungsmöglichkeiten sollte primär Wert auf die Praxistauglichkeit der gewählten Lösung gelegt werden. Viele juristisch „geniale“ Konstruktionen, wie beispielsweise die Vor- und Nacherbschaft, scheitern in der Praxis schlicht daran, dass sie von den Menschen, die damit umgehen müssen, nicht verstanden werden.

Welche Rolle spielt die Psychologie? Der Gedanke der eigenen Nachfolgeplanung muss der nachfolgenden Generation auch vermittelt werden. Immer wieder erleben wir, dass vermeintlich gut gemeinte Regelungen, die ein vermeintlich schwächeres Familienmitglied schützen sollen, in der Praxis in ihr Gegenteil umschlagen. So hört man häufig die Empfehlung, das schwächere Familienmitglied zum Testamentsvollstrecker zu machen. Das eigentlich sinnvolle Gestaltungsmittel der Testamentsvollstreckung wird durch die Auswahl dieser Person in ihrer Wirkung ins Gegenteil verkehrt. Denn die natürliche und über Jahrzehnte gelebte Hierarchie in der Familie wird plötzlich auf den Kopf gestellt. Das vermeintlich stärkere Familienmitglied ist regelmäßig nicht gewillt, dies hinzunehmen. Und das deutsche Erbrecht, das komplizierte Verfahrensrecht und die vielen guten Erbrechtsanwälte finden erfahrungsgemäß ausreichend Mittel und Wege, um mit veritablen Streitigkeiten die alte Hierarchiestruktur wiederherzustellen.

Wie geht es richtig? Der durchschnittliche Wert einer Erbschaft in Deutschland liegt bei 360.00,00 €. Bei diesem Wert liegen die Gerichts- und Anwaltskosten schnell bei mindestens 55.000,00 €. Spätestens jetzt wird einem klar, dass die Investition in einen professionellen Testamentsvollstrecker oftmals die insgesamt klügere Entscheidung ist. Aber nicht nur die wirtschaftliche Betrachtungsweise spricht hierfür, auch eine psychologische: Die Geschwister haben mit dem Testamentsvollstrecker einen „gemeinsamen“ Feind. Und nichts eint besser, als ein gemeinsamer Feind. Deshalb sollte es natürlich auch selbstverständlich sein, einen gut ausgebildeten Testamentsvollstrecker auszuwählen. Die HÜMMERICH legal Erbrechtsanwälte sind ausgebildete Testamentsvollstrecker, sie bilden selbst Berufskollegen im Bereich der Testamentsvollstreckung aus und fort, verfassen Fachpublikationen und gehören entsprechenden Fachorganisationen, Rechtsanwalt Eberhard Rott sogar in der Funktion als Vorsitzender des Vorstandes, an.

Was können wir lernen? Der Ausgangsfall zeigt, dass ein bloß rechtssicheres Testament Streitigkeiten nicht vermeidet. Lernen kann man aber, jedenfalls nach dem aktuellen Stand der Dinge, daraus aber auch, dass der Weg der Einigung im Erbrecht oft hilfreich sein kann. Die klagende Partei hat im Ausgangsrechtsstreit zwar einen erheblichen Geldbetrag zugesprochen bekommen, aber nur 35 Prozent dessen, was ihr außergerichtlich vom Beklagten freiwillig angeboten worden war. Ob außergerichtliche Vergleiche vermittelbar sind, hängt natürlich in erster Linie von den beteiligten Parteien ab. Die Funktion der anwaltlichen Vertreter darf dabei aber nicht unterschätzt werden. HÜMMERICH legal Rechtsanwälte sind in konstruktiver Verhandlungsführung geschult und teilweise auch gesondert als Mediatoren tätig.

Fazit: Wenn Sie ein geordnetes Haus ohne Potential für langjährige Rechtsstreitigkeiten hinterlassen wollen, nehmen Sie sich genügend Zeit für Ihre Nachfolgeplanung. Berücksichtigen Sie, was Sie den Erben – und auch den „Enterbten“ psychologisch antun und gestalten Sie darauf aufbauend praxistaugliche – nicht bloß rechtssichere – Lösungen, die Sie in einem zeitlichen Abstand von 3-5 Jahren überprüfen. Schon haben Sie die Weichen richtig gestellt. Und zugleich haben Sie ein Vorbild für die nachfolgenden Generationen geschaffen, es Ihnen gleich zu tun.

Rechtsanwalt Eberhard Rott
Fachanwalt für Erbrecht und Fachanwalt für Steuerrecht